Die Werke des Neunburger Jahrtausendkonzerts (III)

A. Bruckner: Sinfonie Nr. 4 „Romantische“

Der Oberösterreicher Anton Bruckner (1824 – 1896) war als schöpferischer Mensch ein Spätzünder. Zunächst gab es für ihn nur Lernen und Arbeiten, nach und nach nahm die Inspiration und Eigenart zu, von deren grandioser Fülle man fast bis zu seinem 40. Lebensjahr nichts ahnen konnte.

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„Weil die gegenwärtige Weltlage geistig gesehen Schwäche ist, flüchte ich zur Stärke und schreibe kraftvolle Musik.“ (Komponist Anton Bruckner während seiner Arbeit an der 4. Sinfonie)

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Ab 1861 betrieb Bruckner für zwei Jahre Studien in Formenlehre und Instrumentation. Hatte er sich bis dahin nahezu ausschließlich mit Kirchenmusik und weltlicher Vokalmusik befasst, begann er nun sich auf das Gebiet der Symphonien vorzutasten. Doch wurde ihm die Anerkennung als Komponist nicht in gleichem Maße zuteil, wie er sie als gefeierter Organist genoss.

Die Uraufführung seiner Symphonie Nr. 1  („Linzer) war ohne größeren Erfolg geblieben. Die 2. Symphonie wurde zunächst von den Wiener Philharmonikern abgelehnt. Die Aufführung erfolgte auf Bruckners eigene Kosten und war auch erfolgreich, brachte jedoch nicht den entscheidenden Durchbruch.

Anton Bruckner

Komponist Anton Bruckner: Schöpfer der „Romantischen“

Anton Bruckners 3. Symphonie musste schließlich ganze vier Jahre auf eine Uraufführung warten – und wurde von der Kritik verrissen. Mit dem Komponieren seiner Symphonie Nr. 4 begann Anton Bruckner im Januar 1874. Nach nur elf Monaten führte er sie am 22. November vorerst zu Ende. Die nächsten Jahre blieb die Partitur des Werkes liegen. Erst 1878 nahm er sich der Überarbeitung seiner Vierten Symphonie an. Ende des Jahres hatte er diese fertiggestellt und zur Aufführung nach Berlin gesandt. Doch ließ diese auf sich warten.

Und so war in Bruckner wohl der Gedanke eines neuen Finales herangereift, mit dem seine »Romantische« am 20. Februar 1881, aufgeführt von den Wiener Philharmonikern unter Leitung von Hans Richter, endlich  erklang und vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Dennoch nahm der Komponist weitere Änderungen vor. Anton Bruckner selbst gab seiner 4. Symphonie  in Es-Dur den Titel »Romantische«. Bestimmend für den Charakter des ganzen Werkes ist das Hauptthema des ersten Satzes, ein Hornruf, der Assoziationen an die freie Natur, an die Jagd und an das Leben auf dem Land weckt.

Hans Richter dirigierte die Uraufführung 1881.

Hans Richter dirigierte die Uraufführung 1881, förderte das sinfonische Schaffen Bruckners.

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„In diesem Sinne sehe ich Bruckners ‚Romantische‘ als eine Natursinfonie, in der alle Stimmen der Natur, alle Gewalten des Alls zusammenfließen zu einer höheren Harmonie“.  (Musikkritiker Karl Schumann)

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1.Satz: Bewegt, nicht zu schnell

Zwei Takte leises Streichertremolo, dann ruft das Hauptthema im Horn wie lockend aus dem Waldesdunkel, immer wieder. Bald rauscht es im Wald, ein Drängen hebt an, das Glücksgefühl steigert sich zum Lobgesang, Absinken, Stille. In der Bratsche eine innige Weise, umzwitschert von Vogelrufen der Geigen. Wieder ein Atemholen. Dann erneut eine ansteigende Bewegung, gesteigertes Kraftgefühl des Menschen in der Natur.  Sei es geheimnisvolles Waldweben, sei es Lichtfülle, sei es der Zauber einer Morgenstimmung – in dieses Naturerleben ist der Mensch tiefatmend und mitempfindend gestellt.

2. Satz: Andante quasi Allegretto

Menschliches Leid durchzieht dieses Andante. Das klagende Hauptthema des Cellos wird geleitet von Trauermarsch-Rhythmen der übrigen Streicher. Geigen beginnen eine Choralweise, Holzbläser antworten. Nun in der Bratsche ein neues Thema, wieder klagend, doch bewegter, weicher. Ein Vogelruf (Flöte) als Stimme der Natur, das Dunkel lichtet sich, die Instrumente scheinen Lebensmut auszustrahlen. Abermals dieses atmende Verhallen. Endlich ein letzter Aufschwung: der Vogelruf kündet Frieden, das Hauptthema steigt leuchtend empor und verhallt still. Bei aller Melancholie des trauermarschähnlichen Hauptgedankens ist dieser langsame Satz von einer abgeklärten Stimmung erfüllt.

3. Satz Scherzo: Bewegt − Trio. Nicht zu schnell

Ein drastisch rhythmisiertes Stück ist das so genannte Jagd-Scherzo. Es verbreitet romantische Waldstimmung durch den freudigen Klang der Jagdhörner, die hier durch die Fanfaren der Trompeten hervorgerufen wird, unterbrochen durch ein geheimnisvolles Weben in den Streicherstimmen. Als eine ländliche Idylle klingt dann das ländlerartige Trio auf, ein Tanz auf sonniger Wiese. Bruckner hat zu diesem Trio angemerkt, man möge an eine Jagdgesellschaft bei der Rast denken.

4. Satz: Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell

Aus brauenden Nebeln der Streicher zuckt in Klarinetten und Hörnern ein Oktaven-Motiv auf, schiebt sich erschauernd noch einen Ton weiter. Wie Echo aus dem Scherzo hallen Jagdklänge von irgendwoher. Dumpfes Beben in der Natur, ein Sturm erhebt sich… Aus düster lastender Stimmung ringt sich im Finale das großartige Hauptthema des ersten Satzes durch. Wenn es drohend im Fortissimo vor uns steht, enthüllt sich die ganze Wucht dieses Schicksalsgedankens.  Nun stürmt es selbst durch das nächtliche Dickicht. Der monumentalen Größe dieses ersten Teils ist die Melodiefreudigkeit der zweiten Themengruppe gegenüber gestellt. Es melden sich Erinnerungen an das Andante – alle Gedanken der Vergangenheit werden heraufbeschworen. Licht und Schatten, Freude und Schrecken, Naturgewalt und Gottesfurcht. Die Gläubigkeit, die hier zum Ausdruck kommt, ist der Grundton des Finalsatzes, dessen Abschluss wie eine höchste Verklärung anmutet, in strahlendem Licht, im höchsten Glanz des vollen Orchesters.

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„Wir müssen die romantische Tradition am Leben erhalten.  Denn ich bin überzeugt davon, dass sie zu uns, den Menschen des 21. Jahrhunderts, unmittelbar spricht. Das gilt im besonderen Maße für  Anton Bruckner, der eine ganz eigene, visionäre Tonsprache entwickelt hat. Bruckner ist hochmodern. Ihn beschäftigten dieselben existenziellen Fragen und Zweifel wie uns alle, und darum hat uns seine Musik gerade heute so viel zu sagen. Sein Glaube und seine innere Stärke spiegeln sich überall in seiner Musik.“

(Dirigent Andris Nelssons)

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(Quelle http://anton-bruckner.heimat.eu/4__sinfonie_es-dur.htm / „Knaurs Konzertführer“ von Gerhard v. Westerman und Karl Schumann (1969) / Programmheft der Bayerischen Philharmonie 10/2017)

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