Die zur Veröffentlichung freigegebenen Beiträge der Hobby-Autor/Innen der Kreativ-Aktion 2020/21 werden hier in lockerer Reihenfolge zum Nachlesen bereitgestellt.
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Von Elena Zimmer: „DIE BESCHREIBUNG“
(Kurzprosa)
Wo liegt der Sinn? Was ist das denn? Eine Beschreibung braucht man nicht. Wenn man einen Stuhl sieht, braucht man niemanden, der ihn beschreibt. Es gibt nicht banaleres als Beschreibungen. Warum das Offensichtliche noch einmal aussprechen? Nein, Beschreibungen braucht man wirklich nicht.
Wofür denn auch? Ein Stuhl besteht aus einer Lehne, einer Sitzfläche und ein paar Beinen. Wem soll man das denn noch beschreiben müssen? Es ist vollkommen ausreichend, wenn ich Stuhl sage, dann hat jeder die Lehne, die Sitzfläche und die Beine vor Augen.
Was das Ganze eigentlich ausdrücken soll ist, dass es egal ist wie ein Stuhl aussieht. Genauso wie egal es ist, wo man sich hinsetzt. Wer dem nicht folgen kann, dem kann man auch nicht mehr helfen. Wofür braucht man Stühle eigentlich? Zum hinsetzen, klar. Aber irgendwie auch nicht. Wofür brauche ich eine Lehne? Ist sie am Ende doch nur ein einzelnes Brett. Genauso wie man die Sitzfläche ohne die Beine nicht gebrauchen kann. Wofür sich die Mühe machen eine Lehne an eine Sitzfläche zu schrauben, wenn man dann doch am Boden sitzt?
Genau deswegen sind Beschreibungen nutzlos. Weil sie einen Stuhl in unbrauchbare Einzelteile zersetzt.
Dieser Text ist lang, unverständlich und dennoch irgendwo schlüssig. Ohne Beschreibungen würde niemand wissen wie man einen Stuhl baut und genau deshalb sind Beschreibungen so wichtig.
Das unnötige Gebrabbel hat Sinn. Unnötig ist es deswegen nicht weniger. Wie bei jeder Philosophie: Das Argument kann schlüssig sein, aber ihm fehlt die Intention.
Und, sind Sie schon verwirrt?
°Jury-Urteil: „Scheinbar einfach, philosophisch hintergründig: der Text reflektiert sich selbst“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Die Verfasserin nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Elena Zimmer: „DIE TÜR“
(Kurzprosa)
Ein Opfer des Verfalls. Anders kann man mich nicht nennen. Eine Schande ist es. So viele junge, hoffnungsvolle Leute haben mich geöffnet und geschlossen. Ich durfte dabei zusehen wie das Ruhrgebiet endlich die Aufmerksamkeit bekam, die es verdiente. Aber nein, Stahl und Kohle braucht niemand mehr und somit werde auch ich überflüssig.
Ich, eine einfache Tür, die an der Schwelle zum Erfolg stand, und nun doch vergessen wurde.
Jeden Morgen sagte mein Besitzer „du wirst schon sehen, in einem Jahr zur selben Zeit werden wir Millionäre sein.“ Ich konnte es kaum erwarten. Er wäre ein Millionär und ich die Tür in sein Reich.
Wie hatte alles nur so schrecklich schief gehen können? Wir waren doch so nah dran. Ich hatte mir schon vorgestellt, wie Leute an mir vorbei gehen würden, mit Begeisterung in ihren Augen. „Das ist die Tür zum Erfolg.“ Genau das würden sie sagen.
Doch von einem Tag auf den nächsten hat sich alles veröndert. Damals war ich ein Sinnbild der Hoffnung gewesen. Nun sahen die Menschen mich an und ja, ich war ihnen peinlich. Sie bereuten es, jemals einen Fuß über meine Schwelle gesetzt zu haben. Sie hatten alles verloren und mir gaben sie die Schuld daran. Das sah ich in ihren Augen.
Kohle und Stahl. Diese zwei Zutaten hätten uns an die Spitze führen sollen.
Das Leben geht weiter. Neue wirtschaftsbereiche werden ausgebaut. Dienstleistung ist das Schlagwort. Durch Dienstleistungen wird man reich.
Ich bin am Ende nur ein Bild für verlorene Träume und das Ende einer Geschichte, die so gut angefangen hatte. Vor langer Zeit wurde ich geschlossen und niemand traut sich mehr mich zu öffnen.
°Jury-Urteil: „Ich-Erzählung aus der Perspektive einer Tür, spielt mit Metaphern, Zeitgeschichte (Ruhrgebiet)“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Die Verfasserin nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Led Zepp (Pseudonym): „EIN SPAZIERGANG MIT FOLGEN“
(Kurzprosa)
Nachdem er das neue Fitnessarmband ausgepackt und zum ersten Mal um sein Handgelenk gelegt hatte, war klar: Dieses kleine technische Wunderwerk sollte seine Sportaktivitäten steigern und nachhaltig verändern.
Mit Wanderschuhen bewaffnet machte er sich frühmorgens auf den Weg, um alle Funktionen zu testen und seine neueste Errungenschaft sowie sich selbst auf Herz und Nieren zu testen.
Die Sonne wog sich in dunklem Gelb, der Nebel verstrich langsam und die Vögel ließen ihre ersten Lieder erklingen. Die perfekte Zeit, um den Tag zu starten. Frisch gestärkt machte er sich auf den Weg und schon nach wenigen Schritten begann das Armband zu vibrieren. „Gut so, Ihre Aktivität wurde erkannt“. Das geht ja einfach, dachte er sich und erhöhte im gleichen Atemzug das Tempo. Die Pulsanzeige stieg sprunghaft an und schon war es da, das gute Gefühl, dem Körper etwas richtig Gutes zu tun.
Die ersten 5.000 Schritte waren schnell erreicht. „Gut so, weiter so“ vibrierte der kleine Begleiter am Handgelenk und motivierte zur ständigen Temposteigerung. „A bissl was geht no“, dachte er sich und erhöhte die Schrittfrequenz erneut. Das laute Atmen und ein nasses T-Shirt zeigten, dieser Mann läuft unter Volllast. Sehr zur Freude der Tagesstatistik des Trackers.
Wie der Sonnenschein am Himmel, der nach und nach von Regenwolken getrübt wurde, so trübte sich auch der Kreislauf des neu erfundenen Marathonläufers. Der Schweiß nahm zu und mit ihm die gefühlte Körperlast. Ein letzter Schritt, ein stechender Schmerz, ein Verlangen nach Luft und der Wunsch, dieses Gerät nie gekauft zu haben gaben sich ein Stelldichein, als er schließlich zu Boden fiel und sich vor Schmerzen krümmte.
„Herzlichen Glückwunsch, Sie haben Ihre ersten 10.0000 Schritte erfolgreich gemeistert“, hörte er das Gerät noch vibrieren. Es waren gleichzeitig die letzten 10.000.
°Jury-Urteil: „Die Kurzgeschichte mit überraschendem Ende beschreibt ein Phänomen, mit dem sich viele wahrscheinlich identifizieren können, in überspitzter Form“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Elisabeth Krämer: „ALLES FORT!“
(Satirisches Mundartgedicht)
Andr´e san abghaut, oba i hob mi naus traut,
gschlicha bin i durch die Gassn, mein Kopf hob i henga lassn.
Denn:
a falsche Bewegung, a falscher Ton und scho laufa d´Leit davon.
Ums Eck rum, nei in Lodn, amol durchschnaufa, des konn net schodn.
S´Wagerl packt, Zettel zogn und schnurstracks durch die Reihen geschobn.
Dann okumma am wichtigsten Ort – alles woar fort.
Alles weg! Alles fort! Koa oanzige Rolln an seinem Ort. So a Schock! So a Pein! Zum Deifi, wos soll des sein?
Des is a Krise, oba wirklich woahr, a fiese Krise, s`Papier is goar.
Auf´n Weg zur Kassa foahrt er vor mir (der Depp),
den Wogn volla Papier.
I konns net glaubn, ja so a Matz, etz geht´s da dro mein liaber Schatz.
I geh auf Pirsch, foahr hinterher,
und folg dem Hirsch, des woar net schwer.
Als er verschwunden woar im Gang, scho wurden meine Finger lang.
Packt hob i a Packerl schnell in mein Wogn, bin losgfetzt, um die Eckn bogn.
Wia in an Rennwogn bin i gflitzt, auf der Straß da hättns mi blitzt.
Zum Glück woar glei a Kassa frei, da bin ich nei.
Hob s`Zeigl auf`s Bandl gschmissn
und mir dabei mei Kreiz verissn.
D´Verkäuferin schaut ganz perplex, als i an Schein hischmeiß und hetz
hinaus und schrei no drauss „a guats neis Joar“, obwohl es erst Oktober woar.
Erst im Auto wird mir kloar, dass des a Subbaaktion woar.
Glück o Glück, i konns net fassn, hob vor lauter Freid oan lassen…
Hauptsach es ist hier, mein liebstes, liebstes Klopapier!
°Jury-Urteil: „Als Klopapier – und nicht nur das – von der Rolle war: Pointiert-humorige Aufarbeitung einer pandemischen Massenpsychose in Versform“. (Karl Stumpfi)
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Von Hans-Xaver Nenzac (Pseudonym): „LEBEN UNTER DER KRONE“
(Kurzprosa)
Die Umstände sind außergewöhnlich. Schon seit Monaten.
Mich erinnert das an Tschernobyl, an diese Katastrophe als niemand wusste, was los ist, was Sache ist, was man tun kann, soll und muss.
Hilflos ausgeliefert. Vorsichtig. Rücksichtsvoll. Verunsichert.
Von angeordneten Maßnahmen eingeschränkt. Hörig. Regiert.
„Die Welt, regiert von der neuen Krone“ könnte die Überschrift lauten über dieser Zeit von CORONA.
Das Leben ist ausgebremst. Einfach so. Dabei hatten wir alle so tolle Pläne für dieses Jahr: Jubiläen, Hochzeiten, der Urlaub, Termine, Auftritte.
Alles ruht, ist abgesagt. Storniert. Verschoben.
Ich bin gespannt, was noch da ist, wenn das normale Leben wieder sein darf. Essen gehen, Partys und Veranstaltungen.
Ich bin gespannt, ob ich noch Lust habe, mein altes Leben wiederaufzunehmen. Und – wer von meinen Wegbegleitern geht dann meine Wege wieder mit?
Es ist Herbst geworden.
Aus meiner Erinnerung weiß ich aber, dass im Frühling wieder Leben entsteht. Und im Winter lebt man ja auch.
Anders halt.
°Jury-Urteil: „Poetische Kurzprosa über Corona, zwischen Zustandsbeschreibung, Kritik und hoffnungsvollem Ausblick“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Lorna Simone Baier: „ABENDGEDANKEN EINES MÜLLERSWEIBS“
(Kurzprosa)
Da geht er dahin. Wie jeden Abend. Es ist ja nicht so, dass ich meinem Mann seine drei Bier oben im Dorfwirtshaus nicht gönne, aber ab und zu könnte er schon auch bei mir daheimbleiben. Wenn die Kinder im Bett sind, ist es hier unten in der Mühle recht einsam und fad. Laut ist es auch, aber da gewöhnt man sich im Laufe der Jahre dran. Wäre ja schlimm, wenn nicht mehr genug Wasser den Bach herunterkäme, um unser Mühlrad anzutreiben, weil wir dann nicht mehr arbeiten und kein Mehl mehr für Brot und andere wichtige Sachen verkaufen könnten. Und von was sollten wir uns dann beim Dorfschmied neue Messer kaufen? Außerdem ist es eigentlich gar nicht so schlecht, dass wir nicht mitbekommen, wenn die Handwerker und Bauern oben im Dorf besoffen heim wanken. Weil das Gegröhle würde unsere Kinder garantiert aufwecken und dann hätte ich ein riesiges Geschrei.
Wenigstens sind wir seit ein paar Jahren ein ehrbarer Beruf. Hat lang genug gedauert, bis die Obrigkeit das endlich eingesehen hat. Als ob wir Müller mehr bescheißen würden als die anderen Handwerker! Wenn hier jemand ständig bescheißt, dann sind es die Adeligen! Aber bei denen ist es kein Wunder, die haben ja die meiste Zeit nicht viel zu tun. Vor allem bei den Weibern wundert es mich echt, dass sie noch nicht vor Langeweile gestorben sind. Die können ja nicht einmal kochen, weil sie sogar dafür eine Dienstmagd haben.
Da bin ich fast froh, dass die ihre eigene Mühle haben und wir nur für die Leute aus dem Dorf mahlen dürfen. Die sind zwar manchmal ein bisschen hantig, nämlich dann, wenn sie noch vom Vorabend besoffen sind, aber wenigstens ehrlich. Und ein bisschen mehr Respekt vor uns Weibern haben sie auch. Wenn auch nicht viel. Deswegen bin ich froh, dass ich am Abend auf die Kinder aufpassen kann und nicht mit meinem Mann ins Wirtshaus muss. Er sagt zwar, dass ich das nicht darf, aber wie gesagt, das passt schon so. Aber sagt es ihm bitte nicht, sonst kommt er wie alle Männer auf dumme Gedanken.
Aber ich bin gespannt, was das mit der Hammermühle unten an der Bachmündung werden soll. Die sagen, dass sie dort Eisen verarbeiten wollen. Wo soll denn das herkommen? Mir ist nichts bekannt, dass es bei uns Eisenerz gibt. Haben die etwa oben bei den Felsen etwas gefunden? Oder hat das einen anderen Grund? Aber das werde ich wohl nie erfahren, ich bin ja nur ein einfaches Müllersweib. Aber das passt schon. Da muss ich mich nicht mit so vielen Leuten herumärgern. Mir reichen nämlich bei aller Liebe mein Mann und meine Kinder. Nach denen werde ich jetzt mal schauen, ob sie schon schlafen. Und dann gehe ich auch ins Bett. Wer weiß, wann mein Mann heute aus dem Wirtshaus heim kommt. Und wenn er besoffen ist, ist es besser für ihn, wenn ich schon schlafe. Gute Nacht!
°Jury-Urteil: „Innerer Monolog einer Müllersfrau in einem früheren Jahrhundert über Geschlechterrollen und die Errichtung einer Hammermühle für Eisenverarbeitung – Einbruch des Industriezeitalters.“ (Sabine Eva Rädisch)
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Von HR (Pseudonym): „FRONFESTE“
(Beschreibung)
imposante Frontseite
altrosa gestrichener Putz
fünf Fenster im Erdgeschoß
granitene Laibungen
in der Mitte das Portal
ein wirkliches Portal
wieder Granit
die Türpfosten und der opulent geschwungene Sturz
massives Türblatt, Eichenholz
geschmiedetes Schloss
Messingklinke
letztes Barockhaus in der Stadt
eintreten
weißgetünchte Wände
Sauberkeit, Ordnung
Schritte auf Muschelkalkfliesen
Tritte auf schreinergefertigten, gewachsten Treppenstufen
Türen mit kunstvollen Eisenbeschlägen
über Türschwellen und Dielenbretter
Bewegung in geschichtsträchtigem Ambiente
Haus mit Erinnerungen
Verwaltungssitz früherer Regierungen
Wohnhaus herrschaftlicher Beamter
Gefängniszellen für arme Sünder
erste Unterkunft geflüchteter und vertriebener Familien
Museum
Arztpraxis
Eine Welt Laden
Räume für Jugend, Ausländermütter, Kunstverein
Haus vielfältig genutzt
in weißen Räumen
an weißen Tischen
zwischen bunten Fotos
Verbindung von Geschichte und Augenblick
während ich hier schreibe
Wer wird in zehn Jahren
dieses Haus erfüllen?
°Jury-Urteil: „Denkmalporträt mit Historie und Ausblick in die Zukunft; nachdenklich und mit Neunburg-Bezug“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Miriam Schwarzhuber (9): „DER GEIST, DER DIE WELT RETTET“
(Märchen)
Eines Tages war Mama Einkaufen gefahren und Lukas, Julines großer Bruder, in seinem Zimmer und schaute fern. Juline spielte in ihrem schönen türkisfarbenen Zimmer mit ihren Schleich-Pferden. Auf einmal hörte sie ein schauerliches Geräusch. Sie zuckte zusammen und schaute vorsichtig um. „Was passiert denn jetzt?“, dachte sie. „Huhu!“ „E-e-e-ein Geist“, wisperte Juline starr vor Schreck. Der Geist hatte ein weißes Tuch um seinen unsichtbaren Körper und einen roten, blutigen Mund. „Das ist ja der Geist aus meinem Albtraum von heute Nacht. Also muss er aus dem Wasserglas von der Nacht kommen“, flüsterte sie.
Sie spurtete vor lauter Angst aus dem Zimmer, aber der Geist stellte sich ihr in den Weg. „Hab keine Angst vor mir, ich bin ein ganz lieber Geist!“ erklärte er. Juline traute sich zu fragen: Wie heißt du?“. „Spuki! Und ich esse übrigens gerne leckere Kekse.“ Juline holte Plätzchen aus ihrer Schublade und fragte neugierig: „Was kannst du Besonderes?“ Spuki freute sich über die Kekse und verputzte sie schnell. Da fiel ihm ein, dass er eine Antwort geben musste. „Ich kann für jedes Kind drei Wünsche erfüllen, wenn es sehr nett zu mir ist. Und du warst besonders lieb zu mir.“
„Erfüllst Du mir jetzt etwa drei Wünsche?“, fragte Juline schnell. Das Mädchen überlegte, was es sich nur wünschen könnte. „Ha, ich hab´s! Ich wünsche mir, dass alle Menschen wieder gesund werden und das Corona-Virus endlich verschwindet!“ Spuki hüpfte vor Freude noch höher in die Luft, lachte, klatschte begeistert und jubelte: „Juhu, das ist meine Lieblingsspeise, ich esse sooooo gerne Viren!“
Sofort flog er los, um alle davon aufzufressen. In nicht einmal einem Tag hatte er alle Viren verspeist und war pappsatt. Juline freute sich wahnsinnig darüber, dass sie wieder in die Schule und zu ihren Freunden konnte. Einige Tage später kam Spuki zurück und sagte: „Du hast noch zwei Wünsche frei, weil Du an alle Menschen gedacht hast.“ Da konnte sich Juline nicht mehr halten und wünschte sich einen Hasen und Reitstunden.
So ein Glück, dass der Wunsch in Erfüllung gegangen ist.
°Jury-Urteil: „Märchen über einen sympathischen Geist und ein Mädchen, das mit seinem ersten Wunsch die Welt vor Corona rettet und erst danach an sich denkt“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Die Verfasserin besucht die 3. Grundschulklasse und ist mit neun Jahren jüngste Teilnehmerin an der Kreativ-Aktion „Neunburg schreibt“ 2020/21.
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Von Andreas Ritter v. d. Aller (Pseudonym): „VOLLMOND“
(Gedicht)
Der volle Mond lädt ein zum Traum
schlaf wohl dort unter Orpheus‘ Baum.
Die Engel dich behutsam hüten
sie wiegen dich in Traumes Frieden.
Mag doch die Ruhe ewig währen
in jenen unbekannt Sphären.
Weckt dich der Sonne Strahl sanft auf
beginnt erneut des Lebens Lauf.
Nimm alles Glück von dieser Welt
es wurde nur für dich bestellt.
Geh´ seelig-wonnig in den Tag
das LEBEN ist’s was dich so mag!
°Jury-Urteil: „Über Traum, Schlaf, Nacht und Erwachen in den neuen Tag und über Lebensfreude; guter Rhythmus“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser ist mit 82 Lebensjahren ältester Teilnehmer an der Kreativ-Aktion „Neunburg schreibt“ 2020/21.
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Von Horst Meinelt: „DER WALDSTEINHAUER“
(Nachruf auf ein ausgestorbenes Handwerk)
Es mag wohl hundert Jahre her sein, als man noch in den östlichen Waldgebieten der Oberpfalz den hellen, rhythmischen Eisenklang von Hammer und Meißel hören konnte. Der Waldsteinhauer war es, der sich an einem der mächtigen Granitblöcke zu schaffen machte, um ihn zu Pflastersteinen, Tür- und Fensterstöcken zu zerlegen. Selten wog ein Steinblock, den man wegen seiner meist rundlichen Form als Wollsack bezeichnet, weniger als eine Tonne.
Kaum einer kann sich heute noch eine Vorstellung darüber machen, wie es ein Mann alleine schaffen konnte, einen mehr als zehn Tonnen schweren Steinblock zu spalten.
Dass dazu seine eigene Muskelkraft nicht ausreichen konnte, ist leicht verständlich – also musste er ein Hilfsmittel gebrauchen. Eine Anwendung von Dynamit oder Schiesspulver kam nicht in Frage. Das wäre für einen armen Steinhauer viel zu teuer gewesen. Stattdessen bediente er sich einer sehr alten Methode, bei der er die Kraft der Natur einsetzte. Er meißelte in den Granitblock in einer geraden Linie- in Abständen von ca. 10 Zentimeter- keilförmige Vertiefungen, die so bemessen waren, dass ein etwa 8 Zentimeter breiter Eichenholzkeil streng hinein passte. Die vorher gut getrockneten Holzkeile wurden in die ausgemeißelten Steinschlitze geschlagen und jeweils mit einem faustgroßen, nassen Hanfknäuel abgedeckt. Die Feuchtigkeit ließ die Holzkeile so anschwellen, dass deren Ausdehnungskraft ausreichte, um den Steinblock innerhalb weniger Stunden in zwei Teile zu sprengen.
Im Steinwald am Teufelstein bei Napfberg und im Regental bei Kreuth sind derartige Bearbeitungsspuren noch anzutreffen.
Das Leben eines Waldsteinhauers war hart und entbehrungsreich. Zu Reichtum ist keiner gekommen, karge Ernährung war die Regel. So kann man es aus einem 28 Strophen umfassenden Steinhauerlied herauslesen, das der bekannte Kunstmaler und Heimatforscher Georg Dorrer aus Neunburg vorm Wald in der Jahreszeitschrift „Die Oberpfalz“ 1922 aufschrieb.
Wenn man dem Liedertext Glauben schenken kann, so haben die Waldsteinhauer, trotz ihrer harten Arbeit und ihrer Armut ein zufriedenes Leben geführt. Von der Freiheit im Wald und dem Leben mit der Natur berichtet der Liedtext: von einem, der alle Vögel und jeden Wildsteig kennt, der auch manchmal von der „Gschraften“ (Geschraubte: eine in zwei Teile zerlegbare Flinte, um sie besser verstecken zu können) Gebrauch machte, um den eintönigen Speiseplan aufzubessern. Trübsinnigkeit hat der Waldsteinhauer scheinbar nicht gekannt, auch wenn er seinen Lohn, – seine Nick´l, wie er sie nannte – hart erarbeiten musste, wie es in der letzten Strophe des Liedes in Oberpfälzer Mundart heißt:
I`bi a Stoihauer
I´mouß mi hart plog´n
I´mouß meine Nick´l
Vom Stoi obaschlog´n
So sangen die Waldsteinhauer in der Geselligkeit eines Gasthauses oder auf einer Kirchweih ihre Lieder, Texte, die von ihrem Leben erzählten. Es waren Reime, die nur in ihren Köpfen existierten. Sie wären für die Nachwelt in Vergessenheit geraten, hätte sie ein Georg Dorrer nicht aufgeschrieben.
°Jury-Urteil: „Porträt eines ausgestorbenen Berufes mit detaillierten und anschaulichen Informationen, historischen Quellen und einer Strophe eines historischen ‚Steinhauerliedes‘, zitiert nach dem Chronisten Georg Dorrer“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Hans-Xaver Nenzac (Pseudonym): 2 MUNDART-GEDICHTE
Schleimer
Vorsichtig,
langsam und fast unbemerkt, a schleimige Spur.
Koina mog s ́.
Sie kumma über alles und schlotzn überall hi.
Sie zaing wahllos ernern Weg, ohne Ziel – bis wos fina.
Owa wenn ́s hoaß wird,
des ming ́s na niad,
na vazaing sa se.
Pass aaf,
dass d ́ niad draaf datschd oder drüber foahrst, sunst kraings a no
Profil!
Stellnwert
Stoina
moina
dass uns Boina goar niad geb ́n hot aaf da welt.
Drum daad niad oina vo de Stoina
um uns woina
bald ́s uns nimma gaab a mal.
°Jury-Urteil: „Themen Tod & Ewigkeit lautmalerisch, Spannung entsteht zwischen Titel und Inhalt und zwischen den Strophen, Aha-Moment am Ende“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Elena Zimmer: „UN CAFÉ“
(Kurzgeschichte)
Es war kalt. Dies war mein erster Eindruck von der Stadt der Lichter, der Liebe, der Mode und des Baguettes.
Der Wind blies mir in die Augen und meine Nase war ganz rot. Ich zog meinen Schal höher.
Der Kaffee, den ich mir geholt hatte, kostete mich die Ersparnisse eines ganzen Monats und er war nicht einmal so wie ich ihn gewollt hatte. Selbstverständlich hatte ich vergessen, dass das französische Wort café Espresso bedeutete. Mal wieder war ich vom Vokabelbuch der sechsten Klasse entäuscht worden. Den ganzen Nachtmittag war ich dagesessen und hatte versucht mir die Wörter dieser schrecklichen Sprache irgendwie zu merken, nur um am nächsten Tag herauszufinden, dass man es nicht v-o-i-t-u-r-e sondern voiture aussprach. Die unregelmäßigen Verben konnte ich rückwärts beten, dennoch half mir das nicht bei meinem Kaffeeproblem.
Ich hielt inne. Nein, ich würde mich nicht über die französische Sprache beschweren. Erstens, weil ich bereits allen gesagt hatte, dass ich die Sprache toll fand und zweitens, weil die Alternative mir noch weniger gebracht hätte. Ich dachte an meine Freunde, die sich mit Latein abgemüht hatten. Sie hätten wahrscheinlich nicht einmal einen Espresso bekommen, sondern einen Tritt, der sie im hohen Bogen aus der Stadt befördert hätte.
Es war nicht die Schuld meiner Lehrer, dass ich hier nur gerade so zurecht kam. Es war die Schuld der Franzosen. Ich dachte an all die netten Franzosen, denen ich begegnet war. Es war nicht die Schuld der Franzosen. Es war die Schuld der Pariser.
Pariser haben absolut keine Toleranz für die armen Schlucker, die eine halbe Ewigkeit gesparrt hatten, um ein Wochenende hier verbringen zu dürfen, und das verbargen sie auch nicht. Pariser verachteten alles und jeden, der nicht aus Paris stammte. Ich hätte eine reiche Schauspielerin aus Hollywood sein können, doch wenn ich meine Betonung falsch setzte würden sie auf mich herabsehen wie auf einen Alkoholiker in der Gosse.
Ich hatte mir mein Buch unter den Arm geklemmt und machte mich meiner Wege. Ich war bereits fünf Minuten zu spät und konnte nur hoffen, dass Xavier warten würde. Doch wem machte ich eigentlich etwas vor? Er war Franzose und ich würde zwanzig weiter Minuten auf ihn warten müssen.
Ich hatte ihn vor einigen Jahren kennengelernt und wir waren gute Freunde, dabei konnte ich gar nicht sagen weshalb. Es hatte sich damals beim Austausch so ergeben, dass wir beide keine Lust auf den Vortrag irgendeines Museumsführers hatten und uns witzige Geschichten über die Personen auf den Renaissance-Gemälden ausdachten.
Xavier war vor kurzem nach Paris gezogen und hatte mich eingeladen. Also hatte ich selbstverständlich zugesagt, bevor ich wusste, dass seine Wohnung zehn Quadratmeter groß war und ich ein Hotel zahlen musste.
Ich fror, meine Haare waren kraus und ich hatte den Geschmack vom Espresso im Mund, als er endlich auftauchte. Er lächelte mich breit an. „Je t’ai acheté un américano.“ Ich konnte es kaum glauben. Er hatte sich daran erinnert, dass ich immer vergaß wie man hier richtig Kaffee bestellte. Die Franzosen setzten den Wert nunmal auf die kleinen Dinge des Lebens.
Ich liebte diese Stadt und die Art der Franzosen.
°Jury-Urteil: „Verbindet geschickt die innere Welt der Hauptfigur mit Betrachtungen über Paris und die französische Sprache, anhand einer Tasse Kaffee und einer Begegnung. Könnte der Anfang eines Romans sein…“ (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Die Verfasserin nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Carolin Schmuck: 3 GEDICHTE
mutter
mit dem stolz und
trotz einer
herzoginwitwe
ohne hofstaat und
ohne weltvertrauen
auf dem kurzen weg in
die innere
verbannung
die großen schwingen
die großen schwingen
breit ich aus die arme
lass ich hängen
leere lässt sich nicht
umarmen aber ich
muss mich auch nicht
festhalten
uschi und bert
hier mit dir
wollt ich sitzen und
spotten über dein alter
deine hochfliegenden ideen
und unsere schwindende kraft
nun spottet nur noch
meine schwäche
muss allein alt werden
°Jury-Urteil: „Lyrische Epigramme aus Seelenlandschaften der Echtzeit; reflektieren Weltschmerz, Vergänglichkeit und Abschied in leiser Melancholie“. (Karl Stumpfi)
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Von Herbert Antes: „DAS MÄDCHEN UND DER FROSCH“
(Ein Märchen aus dem Schönseer Land)
Es war einmal ein armes Mädchen in Stadlern. An einem wunderschönen Frühlingstag wollte es zu Fuß von Stadlern nach Schönsee gehen, um dort seine Tante zu besuchen. Das Mädchen würde bald in das heiratsfähige Alter kommen und machte sich schon Gedanken um seine Zukunft. Nichts wünschte es sich sehnlicher, als einen jungen, ganz lieben, gut aussehenden und wohlhabenden Mann zu heiraten. Diesem schönen Gedanken hing es wieder nach, bis es nach einer kurzen Wegstrecke auf einmal „Platsch“ machte, das Mädchen aus seiner Gedankenwelt gerissen wurde und vor Schreck stehen blieb. Von einer Bergwiese kommend, dort wo im Winter viel Schnee liegt, war ein Frosch in eine Pfütze gesprungen.
Damals gab es nur einen holprigen Weg mit vielen Schlaglöchern, der von Fuhrwerken benutzt wurde und von Leuten, die ihre Besorgungen in den Nachbardörfern zu Fuß erledigen mussten.
Der Frosch war nicht groß und trug eine kleine Münze auf dem Kopf, kein Krönchen. Er sprach das Mädchen an: „Bitte erlöse mich. Ich bin ein ganz lieber gemeinnütziger Mensch, der in einen Frosch verwandelt wurde.“ Das Mädchen hob den Frosch hoch, setzte ihn auf eine Handfläche und schaute ihn sich genauer an. „Hübsch ist er ja nicht, aber immerhin. Vielleicht wird er doch eine gute Partie“ dachte es.
Auf einen Prinzen hoffte schon damals im Schönseer Land niemand mehr.
Das Mädchen war aufgeregt und so voller Hoffnung auf ein schöneres Leben, dass es nicht fragte, warum ein guter Mensch in einen Frosch verwandelt wurde. „Was muss ich machen, um dich zu erlösen?“ fragte es vielmehr. „Dafür musst du mich küssen“ sagte der Frosch. „Na ja. Das Übliche halt“ dachte das Mädchen und obwohl es sehr große Überwindung kostete, küsste es den Frosch.
Siehe da, tatsächlich verwandelte sich der Frosch in einen Menschen. Leider nicht in einen jungen, gut aussehenden Mann sondern in ein älteres Männlein von eher kleinerer, untersetzter Gestalt mit einem etwas breiten Mund. Was für eine schlimme Enttäuschung!
Jedoch: Auf dem Weg lagen einige Gold- und Silbermünzen und das Mädchen hoffte, Geld für ein besseres Leben zu bekommen. Es hatte sich noch nicht von seiner Überraschung erholt, da war das Männlein schon dabei, gierig die Münzen aufzusammeln. „Bitte, bitte teile mit mir. Ich habe dich doch erlöst“, rief es. Das Männlein stieß es jedoch so heftig zur Seite, dass es hinfiel und rief „Das ist mein Geld. Das ist die Aufwandsvergütung für meine Zeit als Frosch“, stopfte sich noch die letzten Münzen in die Taschen und verschwand im Wald Richtung Dietersdorf.
Das Mädchen kam bitterlich weinend und ganz traurig nach Hause. Es erzählte seinen Eltern von dem Vorkommnis. Obwohl sie es nicht glaubten, machten sie sich auf die Suche nach dem Männlein, um ihre Tochter trösten zu können. Vergebens! Es gab zwar Männer, auf die Beschreibung passte, aber wenn die Eltern erzählten, was sich zugetragen hatte, wurden sie nur ausgelacht.
Das Mädchen blieb todtraurig zu Hause und half beim Spinnen und Weben und auch sonst im Haushalt. Es wollte nach diesem schlimmen Ereignis von Männern und Fröschen nichts mehr wissen. Es blieb Jungfrau und ging schließlich in ein Kloster in einer fernen großen Stadt. Das Kloster war zwar sehr begütert, aber es hatte keine Wiesen, wo es Frösche gab. Dort lebte die junge Frau sehr fromm und äußerst genügsam bis an ihr Lebensende.
Soweit das Märchen, das von Generation zu Generation weitererzählt wurde. War es bloß eine Erzählung ohne einen wahren Kern, wie es bei Märchen normalerweise der Fall ist?
In diesem Fall möglicherweise nicht, denn auf der Bergwiese, wo der Frosch herkam, scheint ein böser Fluch zu liegen. Vor nicht langer Zeit wurde dort nämlich ein Skilift gebaut, vor allem mit Geld, das von Leuten im Schönseer Land eingesammelt wurde. Die Gesellschaft, die den Lift betrieb, war jedoch bald pleite und die Geldgeber ärmer. Bis heute sind alle Bemühungen gescheitert, dem Liftgelände Leben einzuhauchen. Es wächst langsam zu wie das Schloss von Dornröschen.
°Jury-Urteil: „Variation des Froschkönigs, ohne Happy End aber mit Gesellschaftskritik“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Andreas Ebnet: „D‘ OBERPFALZ“
(Mundartgedicht)
In d´ Oberpfalz han mir d` hoim
wou zwischn Földa, Wold und Wiesn
Dörfa liegn
wouse Ortsschaftn eng an Berg oischmign.
Döi Bergrückn bewaldet han
mit Föichtn, Bouchan Tannabam.
Wou vül Bachla wern manch groußa Fluss
wou durt und dou a Anöid is
d`Bon der is stoine
und vu manchn Felsn gröißt a Burgruine.
Wou de oine oda anda schmucke alte Stodt
ihre Sehenswürdigkeiten hot
Seen glitzan im Sunnaschei
d` Wold lat zum schpatzierngei ei.
Af manche Berg Burgn schdenga
mit houche Türm und dickn Mauern
niat zu bezwinga
weit umme kannst vu dou om sehgn
erholn kannsde göist dou schpaziern.
Wouma in an Wirtshaus gmürtle zamsitzn kann
wouma a Muse macht und an Gsang
wou s Lem nu lemswert is
für Jung und Old
dou han mir dahoim
im schöina Oberpfälzawold.
Von Andreas Ebnet: „BLALLA TANZEN“ (HERBST DES LEBENS)
(Mundartgedicht)
Blalla tanzn af n Wech d`hie
d` Wind treibts voa sich her
kolt is woarn
min Summa iß nix mehr.
D´ Wold leicht in bunte Foam
d` Földa döi wern laa
Kinda loua Drachn steign
Hirscht doud öiza saa.
Doch döin scha kürza wern
d` Nacht is bal dou
in d´ Fröih hots an Reif schaa gem
d´ Nebl hüllt als zou.
Koi Vochal doust mehr singa höarn
koi Bluman meia blöiht
schöi langsam klopft d` Winta aa
so is der Lauf der Zeit.
Döi Zeit döi rennt so schnöll d`hie
du moinst es woar erscht Mai
schaa falln Blalla vu de Bam oa
bist schaust is Joahr vubei.
D` Kindazeit moinst is erscht gwen
d` Jugnd – du woarst voll Tatendrang
öitz doust schaa zitrig wern
der Herbst des Lebens
der fangt an.
°Jury-Urteil: „Über die Natur im Herbst und Winter; Analogie zum Vergehen des Lebens poetisch, findet greifbare Bilder und wirkt authentisch“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Led Zepp (Pseudonym): „EIN STILLES JAHR“
(Erfahrungsbericht)
„Mei, heuer bleibt die Musik wohl auf der Strecke“, posaunte der Nachbar über den Zaun als er sieht, wie ich in ungewohntem Outfit (keine Lederhose, kein Trachtenhemd, keine Instrumentenkoffer und Notentaschen) in mein Auto steige.
Ungewohnt, so komme auch ich mir seit Anfang März vor. In einer Zeit, in der es normalerweise gilt, Konzerte vorzubereiten, die Musikproben für die Sommersaison zu planen und letzte Absprachen mit Veranstaltern zu treffen. nichts… Stille. Kein Handyklingeln, keine Fragen der Musiker, wann die nächste Probe beginnt, nichts. Alle Veranstaltungen wurden abgesagt, an Probenarbeit ist nicht zu denken.
Ideen kommen und gehen, Pläne zur Probenarbeit entstehen und werden doch wieder verworfen. Die letzte Veranstaltung des Jahres, an der wir als musikalischer Part geplant waren, wird abgesagt.
Die Wochenenden wandeln sich. Zeit für die Liebsten, Zeit für den Garten und Zeit für lang aufgeschobene Aufräumaktionen. Die Noten archiviert, die Instrumente geputzt und geölt, das Schlagzeug gestimmt und endlich die Notenmappen sortiert. Gerüstet für den Restart.
Erste Lockerungen werden bekanntgegeben. Für die Blasmusik leider kein Lichtblick. Zu weit die Abstände, zu groß die Verantwortung. Der Musik-Urlaub geht weiter. Solokonzerte und Overdub-Aufnahmen im Keller, Videodrehs im heimischen Garten. Die Begeisterung für die Musik ist ungebrochen.
Und wieder werden Lockerungen bekannt. Reduzierte Abstände? Probenarbeit möglich? Ein Griff zum Smartphone und die erste Probe nach über 3 Monaten ist fix. Hoffen, dass das Wetter und die Nachbarn mitspielen. Eine erste OpenAir Probe im Carport. Man merkt die ungezähmte Spielfreude der begeisterten Musikanten. Geschichten gibt es nicht viel zu erzählen, Musik soll erklingen. Spontaner Applaus über den Gartenzaun des Nachbarn, Musikwünsche per WhatsApp und hoffende Nachrichten auf baldige Wiederholung des Nachbarschaftskonzertes.
Der nächste Termin steht fest. Die Besetzung steht und der Carport steht bereit. Die Nachbarschaft ist informiert und lädt zu kleinen Familienfeiern in die eigenen Gärten. Der erste Marsch ertönt, der lang ersehnte Applaus ist uns gewiss.
Auch, wenn die Lederhose noch im Schrank hängt, so ist doch vieles klar geworden…
Gute Nachbarschaft ist etwas schönes, ein Carport ist für Musikproben besser geeignet als eine geschlossene Garage, Freundschaften stärken sich durch eine Krise und der Ansatz der Blasmusikanten wird nicht besser, wenn man nicht übt.
°Jury-Urteil: „Rückschau auf die Pandemie-Situation aus Perspektive eines Musikers im August 2020: nachdenklich, reflektiert und hoffnungsvoll“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Annika Scheifl (12): „HALLO, SCHMERZ!“
(Erlebnisbericht)
Diese Geschichte ist wahr und echt passiert.
1.Akt
„Kling, kling“,klingelte es an der Haustür. Ich erwachte schlagartig aus meinem kurzen, aber tiefen Schlaf. Ich wollte schnell zur Tür laufen, das Stehlampen-Kabel noch schnell einstecken und gleichzeitig aus der Tür stürmen, um meinen unerwarteten Besuch in Empfang zu nehmen. Aber dann „Rumms“ und ein stechender Schmerz in meiner Nase! Schlagartig fing ich zu weinen an. Ich spürte etwas Heißes über meine Lippen rinnen. Ich rannte förmlich zur Haustür, und der unbekannte Besucher war mein Vater. Mit tröstender Stimme fragte er, was denn los sei. Ich schilderte ihm die empörende und schmerzvolle Geschichte. Meine Tochter wachte durch die Schluchzgeräusche auf, die ich von mir gab. Es tat so weh. Nach einer Weile hörte die starke Blutung auf. Als es aufgehört hatte zu schmerzen, ließ mein Leid nach ich hörte auf zu weinen. Was meine Tochter ganz grausam fand: Wie ich meine Nase putzte! Sie hielt sich die Augen und die Ohren zu, aber als sie wieder hin sah, erblickte man die Blutlache, welche ich in dem Taschentuch hinterließ.
2.Akt
Nach ein paar Minuten oder Stunden spürte ich zwar noch etwas, aber es tat nicht mehr so weh. Als mein Vater dann gegangen war, wollte ich unter die Dusche. Beim Gesicht waschen und über die Nase fahren tat es noch weh, aber ich stand es durch. Ich war fertig mit dem Duschen und wollte jetzt meine Brille aufsetzen. Das tat aber weh…
Fertiiiiiiiggg!!!!!!!!!!!!
°Jury-Urteil: „Aus der Ich-Perspektive der Mutter geschrieben nach einer wahren Begebenheit: schmerzhafte Nasenverletzung durch Begegnung mit einer Türkante“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Angelika Scheifl: SCHLIMME NACHRICHT AN WEIHNACHTEN
(Erlebnisbericht)
Die Geschichte ist wirklich passiert und nicht erfunden.
Ich lag endlich in der Badewanne. Ich wollte mich von der stressigen Zeit in der Arbeit entspannen. Der Alltag in der Pandemie war extrem anstrengend.
Ich schloss die Augen um die Wärme des Wassers zu genießen.
Die von mir angezündeten Kerzen knisternden.
Entspannung und Ruhe machten sich breit.
Passend zum Tag. Es war Weihnachten.
Mein Mobiltelefon lag am Wannenrad.
Der Ton, der für mich am wichtigsten ist, erklang.
Meine Tochter schrieb mir.
Ich trocknete sofort meine Hände ab, um nachschauen zu können.
Was ich las, ließ mir das Blut in den Adern stocken. Dazu noch ein grauenvolles Foto.
Meine Tochter hatte sich genau an Heiligabend den Zeh gebrochen. Ich fühlte und litt mit.
Meine Gedanken waren nur bei ihr.
Wie könnte ich nur helfen? Gibt es Fernheilung? Wie kann ich das schnell erlernen?
Ich war verzweifelt.
Endlich kam Erleichterung, eine weitere Nachricht.
Sie schrieb: Mama, passt scho.
Ich konnte mich wieder etwas entspannen.
°Jury-Urteil: „Nachricht über Verletzung der Tochter dringt in weihnachtliches Relax-Wannenbad der Mutter; am Ende Entwarnung“. (Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Anschreiben der Verfasserin an den KVU: „Liebes Jurorenkomitee, ich reiche eine Geschichte ein, bei der ich den Stil meiner Tochter Annika übernommen habe. Sie hat eine Geschichte über meinen Unfall eingereicht. Da ihr nun auch ein Missgeschick passiert ist, wollte ich mich als Mutter ein kleines Bisschen an ihr rächen“.
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Von Emma Oberndorfer (13): „NEUNBURG – A PLACE TO RELAX“
(Englischer Persuasive-Text)
Maybe it´s to dangerous for you to visit Neunburg, because there live lots of animals, e.g. barking dogs and scratching cats.
But if you behave, they will be very sweet. You can go hiking in the forest and go for a wonderful picnic in the rural landscape. I swear to you, you normally won´t hear many cars or other loud things except the chirping of birds, chracking of wood and other natural sounds. A beautiful place is also the “Schloss Neunburg vorm Wald“ and the churches in this small town. In the beautiful landscape, if you are a little lucky and quiet, you can also see free roaming deer, foxes, brown hares and many different birds, e.g. sparrows, swallows, cuckoos, etc.. Maybe this untouched area will work ist magic on you too…
Freie Übersetzung: „NEUNBURG – EIN ORT ZUM ENTSPANNEN“
Es ist möglich, dass es für Dich zu gefährlich ist, Neunburg zu besuchen, weil hier eine Menge Tiere leben, z. B. kläffende Hunde und kratzende Katzen.
Aber wenn Du Dich gut benimmst, können sie sehr süß sein. Du kannst in den Wäldern wandern oder zu einem wundervollen Picknick in ländlicher Umgebung gehen.
Ich schwöre, das Du normalerweise nicht viele Autos hörst oder andere laute Dinge, außer Vogelgezwitscher, knackendes Holz oder andere natürliche Geräusche.
Herrliche Plätze sind auch das “Schloss Neunburg vorm Wald“ und die Kirchen in dieser kleinen Stadt. Wenn Du etwas Glück hast und still bist, kannst Du in der schönen Landschaft auch freilaufende Rehe, Füchse, braune Hasen und viele unterschiedliche Vögel sehen, z. B. Spatzen, Schwalben, Kuckucke und weitere. Kann sein, dass diese unberührte Natur ihre Magie auch auf Dich ausstrahlt…
°Jury-Urteil: „Very nice and persuasive to me, especially the introduction about barking dogs and cratching cats…Text unbedingt auf Englisch belassen, spiegelt Vielfalt und Offenheit. Tolle Leistung einer 13-Jährigen!“ (Sabine Eva Rädisch)
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Von Lorna Simone Baier: „DIE KLEINE NEBELSCHWADE“
(Kurzprosa)
Die kleine Nebelschwade war frustriert und richtig sauer. Wieder einmal hatte sich ein Autofahrer in seinem Größenwahn nicht angepasst und machte jetzt sie für seinen Unfall verantwortlich. Und die anderen Menschen, die dabei standen, redeten auch nur negativ über sie. Sie wäre Schmuddelwetter und würde depressiv machen. Ja, das sei wissenschaftlich erwiesen. Und überhaupt sollte man Nebel verbieten, genauso wie Stürme und Starkregen, man denke nur an die Sachschäden. Und dann all die umgestürzten Bäume, die Straßen und Bahnlinien blockierten. Hatten diese Menschen endgültig jeglichen Bezug zum Leben verloren? Es war schließlich schlimm genug, dass sie ihre Straßen mittlerweile durch die feuchteren Gebiete in den Talböden bauten statt wie früher oben auf den Kämmen. Da waren sie noch oberhalb der kleinen Nebelschwade unterwegs gewesen und hatten strahlende Sonne gehabt. Aber, dachte sich die kleine Nebelschwade, dann würden sie jetzt die Sonne zum Sündenbock machen, weil es zu hell gewesen wäre. Denn diese größenwahnsinnigen Menschen können ja keinen Fehler zugeben. Nur gut, dass die kleine Nebelschwade keinen Kopf hatte, sonst hätte sie vor lauter Schütteln des Selbigen einen heftigen Muskelkater bekommen.
„Soll ich Dich ein paar Kilometer flussaufwärts wehen?“, fragte der Windhauch, der die Stimmung der kleinen Nebelschwade nur zu gut kannte. „Wie Du weißt, ist dort keine Straße und auch kein Haus, also wird niemand über Dich schimpfen. Dafür könnte dieser eine Fotograf wieder dort herumlaufen, der Dich so liebt, weil die Landschaft durch Dich hindurch gesehen so geheimnisvoll aussieht.“
„Das ist lieb von Dir, mein Freund“, antwortete die kleine Nebelschwade. „Aber ich habe heute keine Lust, vor diesen großkotzigen Menschen zu fliehen. Es reicht schon, dass sie sich gegenseitig aus ihrer Heimat vertreiben oder gar freiwillig von dort weggehen, weil sie an einem anderen Ort mehr Geld bekommen könnten. Dieses Spiel mache ich dieses Mal nicht mit. Und Du willst sicher nicht am Ende noch dafür geschimpft werden, dass Du mich nicht schon vor einer Stunde weggeweht hast. Außerdem bin ich soooooooooo sauer, dass ich diesen Menschen heute das Leben so schwer machen will wie es nur geht. Könntest Du nicht lieber ein paar meiner Geschwister zur Verstärkung herüberwehen?“
Der Windhauch grinste, blies der kleinen Nebelschwade ein Küsschen zu und schritt zur Tat. Innerhalb weniger Minuten erschienen fünf weitere Nebelschwaden und verstärkten den Effekt ihrer kleinen Schwester. Und auch die Sonne zwinkerte der Gruppe zu und lenkte ihre Strahlkraft drei Hügelzüge weiter. Wie konnten es diese Menschen wagen, natürliche Phänomene verbieten zu wollen? Es war nur schade, dass Mama Natur es ihr verboten hatte, diese Menschen in eine der zur Genüge existierenden Wüsten zu schicken. Denn dort bestünde vielleicht eine Chance auf Ruhe, weil es dort keine Nebelschwaden gibt, über die diese Menschen schimpfen können. Andererseits würden sie dort sicher etwas Anderes finden, um ihren Schimpfzwang auszuleben. Nur gut, dass die Sonne derzeit nur wenige Stunden am Tag den Menschen hier zuschauen musste und genügend Wolken kannte, die in ihr Sichtfeld zogen und ihr dadurch diesen Blick noch öfter ersparten.
Zwei Stunden später kam der vom Windhauch erwähnte Fotograf des Weges. Er grüßte die kleine Nebelschwade liebevoll, schimpfte auf die idiotischen Autofahrer, die unfähig waren, wetterangepasst zu fahren und nutzte die Anwesenheit der gesamten Nebelschwaden-Geschwisterschaft dazu, besonders stimmungsvolle Aufnahmen für sein nächstes Fotobuch zu machen. Ihn grüßte die kleine Nebelschwade freundlich zurück und bewegte sich so, wie es für den Fotografen am Günstigsten war. Und auch die Sonne zwinkerte ihm zu und lenkte ihre Strahlen ebenfalls nach seinen Wünschen. Als er wieder nach Hause ging, waren sich die kleine Nebelschwade, der Windhauch und die Sonne einig, dass sie Mama Natur darum bitten würden, doch alle Menschen so wie den Fotografen zu machen.
°Jury-Urteil: „Fabel über eine Nebelschwade: Kritik am Naturverständnis des Menschen bzw. dessen mangelnde Akzeptanz von Naturphänomenen“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Elena Zimmer: „FUCK JU, GÖTHE“
(Nachdichtung)
Ich bin ein Teil jener Kraft,
die mich nicht interessiert und auch noch fertig macht.
Ein Buch. Kein Buch, ein Drama.
Ein Stift, ein Papier.
Schönes Fräulein darf ich’s wagen,
den Mund zu halten und nichts vorzutagen.
Etwas Kaffee. Kein Kaffee, Tee.
Kekse geformt wie ein Stier.
Sie ist die erste nicht,
die das hört und erbricht.
Eine Jacke. Keine Jacke, eine Decke.
Etwas Wärme, Kerzenduft.
Heinrich, mir graut vor dir.
Nicht nur dir, sondern auch mir.
Eine Aufgabe. Keine Aufgabe, eine Pflicht.
Ich bin verzweifelt, lasst mich an die frische Luft.
°Anmerkung d. Red.: Die Verfasserin nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von HF (Pseudonym): „DIE TÜR“
(Kurzprosa)
Willst du wirklich da hinein?
Willst du mich wirklich öffnen?
Sieh mich nicht so genau an.
Die meisten würden mich hässlich nennen,
grob aus vier Brettern und
zwei angesetzten Leisten gefügt,
schäbiger Ersatz für eine schöne Vorgängerin.
Nur damit ich notdürftig die Eingangsöffnung hinter mir verdecke.
Mein ganzer Zustand ist nicht einladend.
Ich sehe aus wie ein dreckiger Flicken
auf einem löcherigen Gewand.
Was willst du in dem zerbröckelnden Haus,
von dessen Mauern der Putz gefallen ist?
Doch willst du unbedingt eintreten,
musst du mich in die Hand nehmen
und berühren,
dich zum rostigen Riegel beugen und
daran ziehen, weil ich keine Klinke habe.
Aber,
vielleicht siehst du dann meine kleine Schönheit,
die feine Maser der Bretter, fast ohne Ast,
ein edles Muster, überzogen von grauer Patina,
gehalten von geschmiedeten Bändern,
die dem Rost trotzen
wie ich der Zeit.
Und immer noch erfülle ich meinen Zweck.
Denn ich soll nur den hereinlassen,
der hier etwas zu suchen oder aufzubewahren hat.
Allen anderen bedeute ich draußen zu bleiben.
Ich bin nur da
zur Sicherheit.
°Jury-Urteil: „Personifizierte Tür. Erzeugt vor dem geistigen Auge ein Bild, das gut auch den Zustand der Fronfeste vor der Sanierung widerspiegeln könnte…(Sabine Eva Rädisch)
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Led Zepp (Pseudonym): „CORONA 2020“
(Kurzprosa)
„Mundschutz nicht vergessen“, schrie Nadine ihrer Tochter hinterher, die sich auf den Weg zur Schule machte. MNS, das neue Wort, von dem viele bis zu jenem Jahr 2020 nicht wussten, für was die drei Buchstaben stehen. Der Mund-Nasenschutz war nun also der ständige Begleiter bei Restaurantbesuchen, im Arbeitsalltag. „Ja Mama, hab ich dabei“, antwortete Lisa und schloss die Tür hinter sich. Ja, auch bei Lisa war dieses kleine Helferlein das neue Accessoire beim täglichen Weg zur Schule.
2020 – das Jahr, der Sommer, den viele ganz anders geplant hatten. Während Lisa mit Abstand und hochgezogener Maske den Bus betrat, klingelte zu Hause bei Nadine das Handy. Eine neue Nachricht, blinkte das Display. Ein Selfie mit der Unterschrift „Weißt du noch, vor einem Jahr“. Drei Mädels im Dirndl, mit Lebkuchenherz und einem Lächeln, das mindestens 3 Maß Bier vermuten ließ, brachten ein Lächeln auf Nadines Lippen. Ein Foto vom Vorjahr. Von der Wies`n. Von der heilen Welt.
„Ach, wär das heuer schön geworden“, tippte sie in ihr Smartphone und setzte einen traurigen Smiley dahinter. Schön wäre es sicher geworden. Das größte Volksfest der Welt. Menschen aus aller Herren Länder, gute Laune, Bierseligkeit und einem schönen Mädelsabend. Statt dem Ausreizen der letzten Minuten im Bierzelt, um gerade noch den Zug zu erwischen, nun die Sorge, dass der frisch gewaschene Mund-Nasenschutz noch rechtzeitig für die Einkaufstour trocken wird.
„Nächstes Jahr geben wir wieder richtig Gas!“ Die Antwort kam prompt und vereinte sich mit dem Gedanken, den Nadine im selben Moment hatte.
°Anmerkung d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Anneli Meinelt-Möbius: „DAS HASLARNER BÜRGL“
(Erfahrungsbericht)
1895 beschreibt der Neunburger Chronist Georg Dorrer in den „Verhandlungen des Historischen Vereins von Regensburg und Oberpfalz“ das „Bürgl“ bei Haslarn. Sein Bericht machte mich neugierig und so suchte ich 2013 den geheimnisvollen Ort.
Südlich des Dorfes Haslarn, Gemeinde Neunburg vorm Wald, sieht man von weitem schon einen bewaldeten Hügel, umsäumt von Wiesen und einem Weiher. Durch Brombeersträucher, Gestrüpp, niedrigen Eichen- und Buchenbewuchs suchte ich mir an der Westseite der steilen Böschung einen Weg etwa 5 Meter nach oben. Statt eines Plateaus erwartete mich eine kreisrunde Ringwallanlage. Die Anlage erstreckt sich über etwa 30 Meter und hat einen Innendurchmesser von ca. 15 Meter. Von der Innenfläche aus sind es 3 bis 4 Meter bis zur Wallkrone, die einen trapezförmigen Querschnitt aufweist. Im Inneren des Ringwalls wuchsen hohe Fichten und Eichen.
Was berichten die geschichtlichen Quellen über dieses Bodendenkmal? Dorrer spricht von einer Verschanzung, die im Volksmund „Bürgl“ genannt wird und aus den Hussiten- und späteren Kriegskämpfen stammen solle. Er vermutet, dass sie wegen ihrer geringen Ausdehnung „in ihrem inneren Raume nur ein Häuflein von etwa hundert Menschen bergen konnte“. Weiter schreibt er: „Vor derselben war früher, wie dieß heute noch ersichtlich und wie mir alte Leute angaben, das Terrain nichts als ein breiter Sumpf, welcher im Osten die runde Schanze zur Hälfte umgab, während die andere Hälfte durch einen breiten, ersichtlich von Menschenhänden eingeschnittenen Graben, welcher jetzt zumeist eingefüllt und eingeackert ist, beschützt war. Auf der Ostseite führte seitlich also parallel mit dem Schanzringe eine Art Rampe zur Höhe desselben empor.“ Bei genauerer Betrachtung des Geländes konnte ich auf der Ostseite tatsächlich ein Graben erkennen, der von einem Weiher an der Nordseite abzweigt und möglicherweise früher geflutet werden konnte. Feuchtwiesen bildeten das Gelände westlich des Hügels.
Aber wie gelangten die Menschen in das Innere des Ringwalls? Dorrer vermutet folgende Vorgehensweise: „Auf der Ostseite führt seitlich also parallel mit dem Schanzenringe eine Art Rampe zur Höhe desselben empor. An dieser führte für die Herren des Bürgl wohl der Weg, vielleicht auf einer mit Holzprügeln belegten Brücke, welche man sofort hinter sich wieder auflesen und in die Verschanzung nehmen konnte, in das Bürgl“. Tatsächlich war für mich der Abstieg über den Steilhügel der Ostseite leichter und der Wall ist auch hier nicht so hoch wie auf der Westseite.
Wer bewohnte oder nutzte das Bürgl? Aus historischen Forschungen weiß man: In Zeiten der Gefahr nutzte die lokale Bevölkerung vorübergehend Rückzugsorte wie diesen Ringwall, die vor allem im 9. bis 11. Jahrhundert erbaut wurden, aber auch Kirchenburgen und Wehrkirchen, wie die Kirchenburg im nahen Seebarn. Sinn der Wallanlage war es, die Angreifer zum ungewohnten Fußkampf zu zwingen. Diese „Schutzburgen“ wurden von der Dorfgemeinschaft und einzelner Grundherren in Eigeninitiative errichtet. Die Wälle mit den sehr steilen Grabenböschungen dienten als Bollwerk. Die Baumaterialien Holz und Erde waren anders als eine Steinmauer überall schnell verfügbar und konnten rasch verarbeitet werden. Der Erdhügel konnte aber auch sorgfältig aus unterschiedlichem Schüttmaterial aufgeschichtet werden, um eine höhere Stabilität zu bekommen. Anders als eine Steinmauer fällt ein Erdwall auch beim Beschuss durch Kanonenkugeln nicht in sich zusammen. Innerhalb der Wälle lag mitunter eine Freifläche, die groß genug war, ein Dorf samt den Tieren aufzunehmen. In Haslarn war durch den angrenzenden Weiher auch die Wasserversorgung der Schutzsuchenden gesichert. Fast immer wurde das für den Wall verwendete Material unmittelbar entnommen, so dass ein Graben vor dem Wall entstand. Ein auf der Wallkrone angebrachter Palisadenzaun konnte oft auch nur aus einem einfachen Weidenflechtzaun bestehen zum passiven Schutz vor Eindringlingen oder wilden Tieren. Die Datierung des Ringwalls als vorgeschichtlich oder mittelalterlich allein aus der Form der Anlage ist schwierig, wenn keine datierbaren Funde vorliegen.
Gibt es archäologische Funde? Archäologische Ausgrabungen der Innenflächen erlauben Analysen der zeitlichen Entwicklung der Befestigung, der Keramik und des Nahrungsangebotes. Da Schutzanlagen wie in Haslarn überwiegend keine Dauersiedlungen waren, werden bei archäologischen Ausgrabungen oft nur wenige Hinterlassenschaften gefunden.
Im Jahr 1895 nahmen Georg Dorrer und der Neunburger Notar Eder eine Art Ausgrabung im Innern der Umwallung vor: „Wir stießen, nachdem etwa ein Fuß tief gegraben war, auf den ursprünglichen Boden der Umwallung, der sich dem Auge sofort durch hellere Färbung und den Werkzeugen durch vermehrte Dichtigkeit, als ob er gestampft wäre, erkenntlich machte. Es wurden Kohlestücke in größerer Menge, Pferdezähne und graue Thonscherben von unglasierten Geschirren, welche mit eingravirten um das Gefäß laufenden Zickzackringen verziert waren, gefunden, die Kohlen an mehreren Stellen des ebenen Bodens, so daß es den Eindruck machte, als ob öfters oder mehrere Lagerfeuer in dem Raume gebrannt hätten. Wir schnitten auch den Schanzring etwas an und zeigte sich, daß derselbe mit kleinen Steinschotter fundamentiert ist, auf welchem das lose Sandmaterial aufgeschanzt wurde. Obenauf wird die Schanze vielleicht einen Pallisadenschutz getragen haben.“
Ist der Ringwall ein Ungarnwall? Als Ungarnwälle bezeichnet man frühmittelalterliche Burgwallanlagen. Die Ungarnwälle entstanden als Reaktion auf die Ungarneinfälle am Ende des Frühmittelalters, die von 899 bis zur Schlacht auf dem Lechfeld 955 n. Chr. dauerten. Dorrer berichtet, dass an der Aussenseite der Umwallung eiserne Pfeilspitzen und Pferdehufe von der Bevölkerung der Umgebung gefunden worden wären. Die Hufe seien meist klein und zierlich gewesen und dies könne auf ehemalige kleine Pferderassen hindeuten. Leider teilt Dorrer nichts über die Form und das Aussehen der gefundenen Hufe und Pfeilspitzen mit. Dornpfeilspitzen werden als zuverlassiger Nachweis eines magyarischen Angriffes anerkannt. Die kleinen, zierlichen Hufeisenfunde belegen die Anwesenheit berittener Krieger in einer Zeit, in der noch kleine Pferderassen existierten.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat das „Bürgl“ als Bodendenkmal qualifiziert und nennt es „Hussitenhügel“. Leider sind diese Zeugnissen der Geschichte sogar der einheimischen Bevölkerung unbekannt und sind entsprechend bedroht. Die Gräben der Wallanlagen werden gerne von der Forstwirtschaft als Abladeplätze für Holz benutzt, Holzabfuhrwege werden in die Burganlagen geschoben und Material für den Wegebau entnommen. Zahlreiche Wallburgen wurden sogar mit dichtem Jungwald bepflanzt. Von Motorcrossfahrern werden sie als Übungsgelände missbraucht. Ich schließe mich auch nach 120 Jahren Georg Dorrers Hoffnung an: „Vielleicht geben diese Zeilen eine Anregung für den mehr sachverständigen Forscher, das Rätsel diese Erdwerkes ganz zu lösen.“
°Jury-Urteil: „Begehung einer historischen Ringwall-Anlage nach Berichten des Neunburger Chronisten Georg Dorrer. Historisch interessant, angereichert mit Fakten und Details“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Lorna Simone Baier: EIN WÜRDIGES ENDE
(Kurzprosa)
Der uralte Baum oben auf dem Hügel war müde. Er hatte das Ende seiner normalen Lebensdauer erreicht. Außerdem hatte der Bauer, dem die unterhalb liegenden Äcker gehörten, vor ein paar Jahren nicht aufgepasst und seine Wurzeln beschädigt. So tat sich der uralte Baum immer schwerer, noch genug Wasser für seine Blüten und Blätter aus dem eigentlich ganz guten Boden zu ziehen. Er jammerte deswegen aber nicht, so wie er es in seinem langen Leben von vielen Menschen gehört hatte, die mit oder ohne Waren an ihm vorbeigegangen waren. Er war schließlich 953 Jahre alt geworden und hatte die längste Zeit seines Lebens dabei geholfen, dass Menschen bei ihren Reisen den richtigen Weg gefunden haben.
Nur einen Wunsch hatte der uralte Baum noch: er wollte nicht von Menschen umgesägt werden, so wie es vielen anderen Bäumen in der Nähe des Hügels ergangen war. Ihre Schmerzensschreie waren für ihn unerträglich gewesen und er fragte sich, ob denn die Menschen auf diesem Ohr taub waren. Schließlich wurden derartige Aktionen, ja selbst Kleinigkeiten, die mit dem Anritzen der Rinde vergleichbar waren, bei Menschen und selbst ihren Tieren so gut wie nie ohne Betäubung durchgeführt. Aber scheinbar waren Pflanzen in den Augen der meisten Menschen minderwertige Geschöpfe. Was würde Mama Natur dazu sagen?
Der uralte Baum hatte jedenfalls noch diesen einen Wunsch und brauchte dafür die Hilfe von Mama Natur. Also nahm er noch einmal seine gesamten Kräfte zusammen und rief nach seiner Mutter. Natürlich hörte kein einziger Mensch diese Rufe, nicht einmal diejenigen, die täglich mit ihren Hunden am uralten Baum vorbeigingen. Die Hunde hörten die Rufe sehr wohl, machten aber keinerlei Anstalten, ihre Besitzer darauf aufmerksam zu machen. Die hörten sowieso nicht zu, und wenn, dann hätten sie bestimmt die falschen Schlüsse gezogen und den Baum noch schnell umgesägt, bevor ihn Mama Natur von seinem Leiden erlösen konnte.
So kam es, dass der uralte Baum seinen letzten Wunsch erfüllt bekam. Es begann recht unscheinbar, nur die Vögel, die noch ein letztes Mal ein Nest in ihm gebaut hatten, verließen dieses plötzlich fluchtartig. Ein paar Menschen, die das beobachteten, wunderten sich, welcher Greifvogel sie dieses Mal aufgeschreckt hatte. Kurze Zeit später entstand aus dem Nichts ein heftiger Windstoß, der den uralten Baum aushebelte und umwarf. Dabei wurden seine Wurzeln vollständig und gründlich aus der Erde gerissen. Der uralte Baum knarzte noch einmal zufrieden und starb, noch bevor seine Krone auf dem Boden seines Hügels aufschlug. Seine Seele kehrte heim in den Schoß von Mama Natur und schüttelte dort den Kopf, als sie sah, wie schnell und rücksichtslos die Menschen seinen Körper zerstückelten und abtransportierten. Bei toten Menschen machten sie das doch auch nicht!
°Jury-Urteil: „Fabel über den Tod eines Baumes; Kritik am Umgang des Menschen mit der Natur“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von HR (Pseudonym): „ÄPFEL“
(Kurzprosa)
Zwei Äpfel in meinem Korb,
gekauft am Obststand.
Die fröhliche Verkäuferin schien verliebt zu sein,
gut gelaunt,
gesprächig zur Nachbarin am Blumenstand,
zu mir.
Sie empfahl mir verschiedene Sorten.
Ich entschloss mich zu den kleinen gesprenkelten.
„Ja, von unserer eigenen Streuobstwiese – echt bio.“
Gestern hat die ganze Familie bei der Ernte geholfen,
auch die Kinder.
Die beiden Kleinsten waren ganz eifrig
beim Aufklauben der heruntergefallenen Früchte.
Der Onkel war auch da.
Er hatte Holzkisten zur Lagerung gebaut.
Mit seinem Taschenmesser teilte er Äpfel.
„Da, so sieht das Kernhaus aus.“
Er schneidet es aus und verteilt eine Apfelschnitte nach der anderen.
Sie verschwinden im Mund der kleinen Esser …
schmatzen, mampfen, genießen, schmecken …
Früchte frisch vom Baum –
gesunde Welt …
°Anm. d. Red.: Der Verfasser nahm am KVU-Workshop „Kreatives Schreiben“ im Rahmen des 8. Neunburger Kunstherbstes teil.
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Von Sophie Stöckerl (10): „MILA UND RIPMAV“
(Vampirgeschichte)
„Mila, willst du Lion- oder das Vampircornflakesmüsli?“, fragte Milas Mutter. „Beides“, antwortete Mila. Mila ging nämlich zum Einkaufen. Als sie in der Dom-Straße angekommen waren, sahen sie einen Jungen. Er hatte pechschwarze Haare und blutrote Augen. Was Mila auffiel, war aber das bleiche Gesicht. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Hallo“, sagte er, “ ich bin ein Waisenkind“. Milas Mutter antwortete: „Komm doch mit zu uns“. „Vielen Dank“, antwortete der Junge.
Am nächsten Morgen stank Mila die Ripmav-Sache gewaltig. Zuerst wollte er nicht in den Spiegel sehen, dann nicht im Pool in der Sonne planschen und jetzt will er IHR Vampir-Müsli! Am Vormittag zog Mila Ripmav in ihr Zimmer. „Hey, Ripmav!“, sagte sie zornig. „Was ist mit dir nur los? Wieso trägst du nur diese schwarzen Klamotten und wieso stotterst du?!“ Er antwortete:“ Das willst du wissen? Wirklich?“, fragte er sanft. „Ja“, brüllte Mila. „Wie du meinst…“ „Nicht, wie ich meine!“, brüllte Mila noch stärker. „Zuerst – ich, ähhh…. Beruhige dich zuerst!“ „Gut“, sagte Mila vorwurfsvoll. „Die Antwort erfährst du, wenn du meinen Namen rückwärts liest“, schniefte er. Mila enzifferte es. “ V – VA – VAM- VAMP- VAMPI- VAMPIR!“ „Gut – dann kann ich wieder Straßenvampir sein“, sagte er. „Wieso?“, hakte Mila nach. „Weil… ihr werdet mich sowieso rauswerfen,“ heulte er. „Nein, warte!“, schrie Mila, „das bespreche ich mit Mama. Versprochen!!“
Am Mittagstisch sage Mila: „Mama, ich muss dir was Wichtiges sagen. Ach übrigens, Herr Waisenkind ist im Keller, und ähh… er ist ein netter Kerl – aber auch ein Vampir. Und ich habe ihm ein paar Sachen vorhin gesagt – unsere Regeln: 1. Nicht fliegen. 2. Nicht jemanden beißen – und zu guter Letzt: Du musst immer Knoblauch wegwerfen.“ Mama sagte darauf:“ Okay, er darf bleiben – wenn er sich an die Regeln hält!“ „Versprochen“, ertönt es. Vampir war vom Keller herauf gekommen. „Können wir Einkaufen? Mit Ripmav?“, wechselte Mila das Thema. Kurz darauf waren die drei im Supermarkt. Natürlich musste Vampir sich als normales Kind tarnen. Die grünen und blauen Klamotten und das rosa Cap von Mila, die er angezogen hatte, gefielen ihm gar nicht. Aber er musste es tun.
Plötzlich ging ihm ein Duft durch die Nase. Ripmav war zwar ein netter Kerl – aber immer noch ein Vampir. Es roch so herrlich nach Blut und Wurst und – „FLEISCH!“ Er stand nur 50 cm neben dem Fleischverkauf! „Ooh je!“ schrie Mila, „Mama! Ripmav! Er steht neben der Fleischtheke!“, kreischte sie weiter. Doch als Mama kam, war es zu spät! Schon flog er hinter die Theke und verkroch sich im Fleisch. Kaum war er beim Essen, wuchsen seine Eckzähne und ein schwarzer Umhang mit rotem Kragen entwickelte sich. Als er sich umdrehte, waren seine Augen geschlossen und er machte sie mit finsterem Blick auf. Die Augen flackerten 10 Sekunden wie Feuer. Ja, dann Guten Tag! Jedenfalls für Mila. Denn er guckte sie fies an. Kurz bevor er zubiss, roch er Milas Parfüm. so nach Rosen. Er verwandelte sich zurück. Sofort nahm ihn Milas Mutter an die Hand und ging mit den beiden Kindern heim.
Zuhause rannte er in sein Zimmer. Weinerlich machte er die Tür zu. Eine Minute später kam Mila herein. Sie setzte sich neben ihren ’neuen Bruder‘ und fragte:“Was war das denn eben?“ „Antiverwandlung.“ „Wie?“, hakte Mila nach. „Antiverwandlung. Meine Eltern setzten mich aus, als ich Rosenduft-in-Junge-Verwandlung hatte. Lange Geschichte. Seitdem bin ich ein Straßenvampir gewesen. Als ich an der Fleischtheke war, roch ich wieder Blut. Den Rest weißt du ja. Dein Parfüm duftet nach Rosen. Deswegen bekomme ich nie Antiverwandlungen beim Essen. Da wir nebeneinander sitzen, bleibe ich menschlich. Aber dummerweise geht das nur über 50 cm. Und du warst 100 cm entfernt.“ Ripmav schniefte. „Weißt du was? Ich kaufe dir ein Rosenparfüm. Dann ist das Problem gelöst.“ „Danke!“, sagte Vampir.
Als es Abend wurde, legte er sich unter Milas Bett und sagte zu Mila, die Etage weiter oben noch nicht schlief:“Lässt die Parfümwirkung irgendwann nach?“ „Ja“, antwortete Mila und parfümierte sich noch einmal ein. Doch da war Vampir schon eingeschlafen.
„Mila! Ripmav! Aufstehen!“, rief Mama, „Einkaufen!“. „Ah…ah…. nicht noch mal!“, wendete Mila ein. „Nur diesmal zum Drogeriemarkt und zum Schreiner“, sagte Mama weiter. Beim Drogeriemarkt nahm Mila alle Rosenparfüms mit, die es gab. Beim Schreiner bestellte Mama einen Sarg für Ripmav. Er konnte ja nicht ewig am kalten Boden schlafen. Zuhause parfümierte Vampir sich mit Rosenduft. Es war ihm immer noch peinlich, diese Fleischtheken-Sache. Pech. Passiert ist passiert. Das kann man jetzt nicht mehr ändern. Nur man kann hoffen, dass es bis morgen vergessen wurde. „Hey Ripmav, beeil dich! Ab ins Auto!“ Die Tür war aufgegangen und Mila kam herein. 5 Minuten später fragte Ripmav:“ Wo fahren wir eigentlich hin?“ Mila antwortete:“ Ich habe extra 5 Flaschen Parfüm mitgenommen. Zur Blutspende. Mama spendet schon lange dort. Du kommst da auch rein.“ „Wer? ICH!? Was, wenn die Antiverwandlung wieder zuschlägt!?“ „Dann habe ich ja EXTRA 5 Flaschen Parfüm mitgenommen. Schon vergessen?“. „Nee….“, antwortete Ripmav.
Bei der Blutspende angekommen, zog Mila Vampir in einen Blutcontainer. Dort sagte sie:“ Bediene dich!“. Das ließ sich Ripmav fünfmal sagen. „Hey, was ist denn los?“ fragte Mila sanft. “ Ich – ich will nicht“, weinte er. „Wieso nicht?“, hakte Mila nach. “ Ich verdiene dich nicht“, antwortete Ripmav traurig. „Etwa wegen der Fleischtheke? Und du hast Angst, dass das Parfüm nicht funktioniert?“ Vampir nickte traurig. „Hey, das kann jedem mal passieren. Außerdem bin ich froh, dass ich dich habe. Du bist der netteste und liebenswerteste Vampir, den ich kenne.“ „Wirklich?“, fragte Ripmav weinerlich? „JA“. „Dich stört es auch nicht, dass ich ein Vampir bin?“, fragte er traurig. „Die paar Haken machen doch nichts.“ „Aber ich will ein normaler Mensch werden wie du!“, weinte er weiter.“Tja, das kann man nicht ändern, aber du könntest einmal so tun, als ob du ein normaler Mensch wärst“, tröstete Mila ihren Bruder. „Gut, ich versuche es…“, sagte Vampir. Mila spürte, dass ihrem Bruder immer noch zum weinen zumute war. „Komm, gehen wir um den Block, das bringt dich auf andere Gedanken.“ sagte sie deshalb. Ohne die Antwort abzuwarten, nahm sie Ripmav an der Hand und ging mit ihm einmal ums Krankenhaus. Als es 15 Uhr war, fuhr Mama mit ihren Kindern heim. Eine halbe Stunde später waren sie zuhause.
Als Mila mit Vampir in ihrem Zimmer verschwand, zog sie die Vorhänge zu. Dann drehte sie das Licht an und sagte zu ihrem Bruder: „Wie alt bist du eigenlich?“ Er antwortete:“100″ „Wie? 100 Tage? 100 Wochen? 100 Monate? oder was? „100 Jahre.“ antwortete Ripmav. KRACH! Mila war umgefallen oder kurz: in Ohnmacht gefallen. „Mila! Mila! Mila!“ Ripmav versuchte seine Schwester wachzurütteln. Als er einsah, dass das nichts wird, hob er sie hoch und legte sie behutsam in ihr Bett. Als er sie zugedeckt hatte, wachte sie auf. “ W – W- Wo bin ich?“ „Zuhause“, antwortete Vampir. „Vampir?“ fragte sie. Ripmav dachte richtig: Ohnmächtig werden ist ein kurzer Denk-Kurzschluss. Also antwortete er: „Ja“. Mila stand auf. „Du hast mir das Leben gerettet! Danke, Ripmav.“ „Da musst du dich nicht bedanken. Aber – autsch! Mein Eckzahn!“ „Ich hole Mama. Sie bringt dich zum Zahnarzt“, sagte Mila.
Als sie beim Zahnarzt waren, hatte Ripmav ein ungutes Gefühl. Nicht nur, weil Mama sage, dass er Ritus heißen würde, sondern auch was anderes. Aber was? Schließlich war er 100 Jahre alt! Doch dieses erfuhr er in der Praxis von Dr. Zahn. Er wollte, dass er seinen Mund aufmachen sollte. Dann würde er die geschrumpften Vampireckzähne sehen. Und so ein Zahn tat weh! Super. „Ähm, Herr Zahn, können sie mir eine Nagelfeile holen? Und ich bräuchte dann Ruhe, ohne Mama und Ihnen, einfach Ruhe. Nur mit Mila alleine“, sagte Vampir verlegen. „Aber sicher!“, sagte Dr. Zahn und brachte Vampir die Feile. Als er mit Mila allein war, sagte er:“ Es ist… ich kann mich nicht im Praxisspiegel sehen. Und weiß nicht genau, wo meine Eckzähne sind. Führst du mich? Bitte.“ „Klar!“, antwortete Mila. Nachdem sie fertig waren, holte Mila Mama und Dr. Zahn herein. Es stand fest. Vampir hatte Karies. Er musste ins Krankenhaus. Mit Vollnarkose und 5 Monaten Drinbleiben. Und Vampirzähne wachsen in einem Monat wieder auf Orginal-, und Vampireckzähne innerhalb von 24 Stunden wieder auf Originalgröße! Doch glücklicherweise greift Mila ein:“ Äh! Das mit Krankenhaus geht nicht! Mein Bruder und ich müssen dringen zum Schuhmacher Beer, um unsere Schuhe abzuholen, denn wir haben bald die Ballettaufführung ‚Silberschwan‘ und er gibt die Hauptrolle! Und, äh, gibt es kein anderes Mittel für ihn?“ „Doch“, gibt Dr. Zahn jetzt zu. „Perfekt! Dann immer her damit!“, plappert Mila dazwischen. Dr. Zahn gibt nach und innerhalb von sofort sind die Zahnschmerzen weg! Nachdem sie heimgefahren sind, hopste Ripmav auf Milas Bett herum, sprintete an eine Wand, hopste zur nächsten und gleitete sanft auf den Boden.
Inzwischen war es 17:59 Uhr. Bettgehzeit für Mila. Ripmav durfte noch bis 18:05 aufbleiben und fernsehen, denn dann kam (wie immer) von 17:30 bis 18:05 „Schlosshotel Dracula“: Horror To Go! Und das wollte Ripmav unbedingt sehen…
Am nächsten Morgen hatte Mila Joga-Kurs. Sie hatte versprochen, für Vampir ein Anmeldeformular mitzunehmen. Am Mittag um 12:05 kam Mila mit dem Formular zurück. Mama füllte es aus. „Vampir, du kommst morgen mit zum Joga-Kurs“, wendete sich Milas Mutter an ‚ihren Sohn‘. Zehn Minuten lang hatten die Zwillinge etwas Fußball gespielt. Danach wollte Ripmav Mila das Fliegen beibringen. Allerdings erfolglos. Dann mussten sie ins Bett.
Wie es weitergeht? Das erfährst Du in: „Mila und Ripmav 2“
°Jury-Urteil: „Milas Mutter nimmt einen Waisenjungen in die Familie auf, der sich als Vampir entpuppt – ereignisreiche Geschichte mit originellen Ideen“. (Sabine Eva Rädisch)
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Von Anna Huber (12): „LANA’S ABENTEUER“
(Roman-Auszug: Kapitel 1)
„Lana! Du sollst sofort in das Gemach der Prinzessin kommen! Sie wünscht, dich zu sehen.“ „Ja, ich komme schon“, sagte ich zu dem Dienstmädchen, das in mein Zimmer trat. Ich stand auf und ging durch die großen Flure.
Als ich um die Ecke bog, prallte ich auf einmal mit jemandem zusammen. „Hey, pass doch auf!“, schnauzte ich denjenigen an, mit dem ich zusammengeprallt war. „Pass du doch auf! Oh, Lana, du bist es. Wo musst du denn hin? Etwa zu Solana? Soll ich mitkommen? Ich habe im Moment eh nichts zu tun.“ „Ja, sie ruft mich und du kannst gerne mitkommen, Lio.“
Darf ich vorstellen: Das ist mein bester Freund Lio. Ich kenne ihn seit ich hier in Schloss Glanzenschein wohne. Er ist hier im Schloss der Stallbursche. Und das Mädchen, zu dem wir nun gehen, ist Solana. Sie ist meine beste Freundin und die Prinzessin von Glanzenschein. Allen Leuten, denen ich erzähle, wir beide wären die besten Freunde, glauben es mir nicht. Denn die Eltern, der König und die Königin von Glanzenschein, wollten nicht, dass ihre Tochter eine Freundin hat. Und schon gar nicht ein Dienstmädchen. Aber Solana konnte sie überzeugen. Leider nur unter einer Bedingung: Ich würde ihr Dienstmädchen sein. Solana und ich wollten das zwar nicht, aber wir willigten ein. Wenn ihre Eltern nicht hinschauen, behandelt sie mich aber wie eine Freundin. Sobald ihre Eltern aber hinschauen, tut sie so, als ob ich ihr Dienstmädchen wäre und scheucht mich herrisch herum. Das macht uns beiden immer sehr viel Spaß.
Lio und ich gingen also zum Zimmer unserer besten Freundin. Vor der Tür standen ihre Eltern. Lio und ich verbeugten uns und wollten gerade ins Zimmer gehen, da hielt uns der König zurück. Und ehe ich etwas sagen konnte meinte Lio: „Die Prinzessin hat uns gerufen, Eure Majestät.“ Der König nahm seine Hand weg, wir verbeugten uns nochmals und gingen dann in Solanas Zimmer. Als ich sie sah, staunte ich. Meine beste Freundin lag auf ihrem Bett und weinte. Unglaublich! Sie weinte nicht oft und wenn sie mal weinte, versucht sie immer es zu unterdrücken. Weil es sich so für eine Prinzessin gehörte, hatte sie mal erzählt. Prinzessinnen dürfen ihre Gefühle nicht der Welt preisgeben. Da ihre Eltern vor der Tür standen, verbeugten wir uns vor Solana und behandelten sie, als wären wir ihre Diener. Da schaute meine beste Freundin auf und sagte: „Mutter, Vater. Bitte geht! Ich möchte meine Diener um Rat fragen.“ „Natürlich, Töchterchen. Wir gehen“, sagte die Königin.
„Was ist denn los, Solana?“, fragte ich. „Ich … ich … “ Solana brach mitten im Satz ab. „Komm, beruhig dich mal und dann erzähl uns alles.“ Lio reichte Solana ein Taschentuch. „Ich … ich soll. .. heiraten. Vielleicht habt ihr es schon bemerkt, aber unser Königreich hat nicht mehr viele Vorräte und deshalb soll ich einen reichen Prinzen heiraten, von dem ich gar nicht weiß, wie er so ist und aussieht. Alles was ich weiß, ist, dass er Prinz Leo von Gordan ist. Ich weiß nicht mal wo das überhaupt liegt!“ „Ach, du große Güte. Was sollen wir hier denn dann ohne dich machen?“ Ich erschrak sehr. „Du hast mich aufgenommen und mir Schutz gegeben. Du hast dich wegen mir gegen deine Eltern gestellt.“ „Genau, Lana hat recht. Du darfst nicht gehen! Was sollen wir hier ohne dich?“ „Ich weiß. Ich will das ja auch nicht, aber meine Eltern sagten, wenn ich diesen Prinzen nicht heirate, wird unser Königreich verhungern.
Und das schlimmste ist, sie haben mir gedroht, euch dann aus dem Königreich zu verbannen!“ „Was?“ Lio und ich waren entsetzt. Aber wir mussten unserer Freundin helfen. Koste es was es wolle. Da fiel mir etwas ein. Ich hatte einen Plan. „Du musst hier weg!“ „Hä?“, fragten meine Freunde gleichzeitig. Ich schlug mir die Hand gegen die Stirn. Sonst wussten meine Freunde gleich, was ich meine. Dieses Mal anscheinend nicht.
„Ich meine, wir sollten von hier verschwinden, damit Solana nicht heiraten muss und sie bei uns bleiben kann.“ „Ach so“, sagte Lio. „Und wie willst du das anstellen? Hast du da auch einen Plan?“ „Na klar! Hab ich doch immer. Aber dieser ist nur vorübergehend. Ihr müsst mir allerdings helfen. Solana, du musst deinen Eltern sagen, dass du einen Zeltausflug machen willst und wir, als deine Diener, kommen natürlich mit. Lio, du musst an diesem Tag natürlich unsere Pferde vorbereiten.“ „Aha, guter Plan.“, meinte Lio. Doch alles war noch nicht geklärt. Solana fragte mich noch: „Meine Eltern werden das nie erlauben. Außerdem, was machen wir mit dem Essen? Wir brauchen doch auch Nahrung.“ „Mach dir keine Sorgen. Ums Essen kümmere ich mich.“ Lio fragte: „Und wann hauen wir ab?“ „So bald wie möglich, bitte!“, bat Solana. „Wie wäre es in einer Woche?“, wollte Lio wissen. „Zu lange. Wie wäre es mit übermorgen?“,
fragte Solana. „Von mir aus kann es übermorgen losgehen“, meinte ich und zuckte mit den Schultern. Was für ein tolles Abenteuer! Ich würde endlich wieder im Wald sein. Und das auch noch mit meinen Freunden!“
Als ich am nächsten Tag in den Thronsaal kam, sah ich, wie Solana gerade versuchte ihre Eltern zu überreden, sie zelten gehen zu lassen. „Aber Mutter, Vater. Ich bin nicht allein. Lio und Lana sind doch bei mir und sie können mich verteidigen. Sie sind sehr gute Kämpfer und würden mich mit all ihrer Macht beschützen.“ „Ach wirklich? Entweder nehmt ihr eine Wache mit oder ihr bleibt hier!“ Der König wollte also, dass wir eine Wache mitnahmen. Das ging aber leider nicht, weil wir ja flüchten wollten. Da hatte ich schon wieder eine Idee. Die war aber viel riskanter als der Weglauf-Plan. Ich wusste nicht, ob sie funktionieren würde. Ich ging zum König und verbeugte mich. „Eure Majestät. Wenn ihr erlaubt“, sagte ich. „Ihr habt recht. Lio und ich sind noch Kinder, aber wir haben viel Zeit mit den Wachen
verbracht und würden Solana beschützen. Natürlich wären wir auch einverstanden, wenn eine Wache mitkommen würde …“ – „Aber… „, wollte Solana sagen. Da zwinkerte ich ihr zu und sie war still. „Aber sie kennen die Wachen ja, Eure Majestät. Die schlafen immer ein. Wir können eine Wache mitnehmen, wenn ihr darauf besteht, aber sie wird der Prinzessin nicht so viel Schutz bieten wie Lio und ich.“ „Da hast du recht, Lana. Na gut. Ich erlaube es, dass ihr ohne Wache einen Ausflug macht, aber seid vorsichtig, verstanden?“
Ich hatte es geschafft. Solana konnte sich gerade noch einen Freudenschrei unterdrücken. „Natürlich Eure Majestät. Wenn ihr gestattet, würde ich noch die letzten Vorbereitungen für den Ausflug treffen.“ Ich verbeugte mich und ging aus dem Thronsaal in mein Zimmer. Ich musste nicht lange warten, da stürzten Solana und Lio in mein Zimmer und sprangen auf mein Bett. „Solana hat mir alles erzählt. Du hast es geschafft. Wir dürfen ohne Wache losziehen.“ Lio schmiss mich vor Freude fast vom Bett. „Bisher hat es noch kein Dienstmädchen, Stallbursche oder sonst wer geschafft, meinen Vater von etwas zu überzeugen. Wie hast du das gemacht?“, wollte Solana wissen. „Tja, mir kann eben niemand widerstehen.“, sagte ich grinsend. Wir tobten noch ein bisschen auf dem Bett herum, dann wurde Solana ernst. „Wir müssen jetzt wirklich die letzten Vorbereitungen treffen. Wir sollten morgen früh los.“ „Solana hat recht. Los, an die Arbeit!“, meinte ich, sprang vom Bett und schaute meine Freunde ernst an. Wir hatten noch ein bisschen zu tun.
Ich scheuchte sie also aus dem Zimmer und ging dann selbst an die Arbeit. Ich war schließlich für unsere Verpflegung zuständig. Ohne mich würden wir verhungern. Na ja, verhungern wohl eher nicht, denn im Wald würden wir mit Sicherheit etwas finden, aber eben nicht sehr viel. Ich ging also durch die weiten Flure zu den Königlichen Speisekammern. Dort fand ich alles was wir brauchten: Wasser, Gemüse und Obst, natürlich auch Essen, das man über dem Feuer wärmen kann, Dosenravioli und natürlich auch ein bisschen Süßkram wie zum Beispiel Marshmallows. Das Wasser verlud ich in Flaschen und die Lebensmittel in Beutel. Alles zusammen sollte dann in die Satteltaschen auf den Pferden verladen werden. Dann musste ich mich auch noch um meine Schlafsachen kümmern, also um Schlafsack, Waschzeug und ein paar Klamotten. Für unser Zelt, in dem wir schlafen würden, musste ich mich auch noch kümmern.
Da wir ja eigentlich Solanas Diener waren, durfte sie uns nicht helfen. Nachdem ich fertig war, ging ich in ihr Zimmer, um ihr beim Packen zu helfen. „Was brauchen wir eigentlich alles zum Zelten?“, wollte Solana wissen. „Also auf jeden Fall ein Zelt und Nahrung. Keine Sorge, um das habe ich mich schon gekümmert. Du brauchst eigentlich nur noch Waschzeug, Schlafsack und Klamotten. Sonst nichts“, antwortete ich. „Okay, welches Kleid soll ich mitnehmen? Dieses oder dieses? Ich kann doch auch beide mitnehmen, oder?“ Solana sah mich fragend an. „Also 1.: Du kannst kein Kleid mitnehmen, denn wir reiten und zelten und 2.: Wie wäre es, wenn du einen Jogginganzug anziehst und darüber als Tarnung ein Kleid? So hast du ein Kleid dabei. Zum schlafen brauchst du warme Socken, einen Pulli und eine warme und gemütliche Hose. Nix mit Nachthemd oder so, denn mit einem Nachthemd bist du in ein paar Minuten schon ein halber Eisblock. Also nimm lieber was Warmes mit und gemütliche Sachen zum reiten.“, sagte ich. „Okay.“ Solana machte sich an die Arbeit gemütliche Sachen aus ihrem Schrank zu räumen und ich überprüfte, ob diese zum Zelten geeignet waren. Manchmal schüttelte ich den Kopf und Solana räumte das Stück wieder in den Schrank. Bei anderen, geeigneten Sachen nickte ich aber und meine beste Freundin gab es mir.
Nach einiger Zeit hatten wir es aber geschafft, passende Sachen zu finden und in Solanas Rucksack zu stecken. Es war schon fast dunkel und wir mussten in den großen Saal, um das Essen vorzubereiten. Eigentlich musste nur ich schon los, denn Solana war ja die Prinzessin. Ich verabschiedete mich also von ihr und ging in die Küche. Dort wartete Lio schon auf mich. „Da bist du ja endlich! Los, komm, wir müssen das Essen vorbereiten und zwar dalli! Ich habe vor kurzem eine Nachricht erhalten. Vielleicht müssen wir gar nicht abhauen. Die Königliche Familie von Gordan kommt
kurzfristig zu Besuch. Weißt du was? Ich habe gehört, der König und die Königin kennen die Familie von Gordan gar nicht und lernen sie erst heute Abend richtig kennen. Wir müssen uns allerdings im Hintergrund halten. Wir dürfen also nicht dienen, sondern nur Essen kochen. Also ran an die Arbeit!“ „Cool! Ich würde auch viel lieber hier im Schloss bleiben als abzuhauen und vielleicht ist dieser Prinz Leo von Gordan gar nicht so schlimm.“, meinte ich.
Wir machten uns gemeinsam an die Arbeit und ich muss gestehen, ich finde, dass das Essen richtig gut geworden ist. „Dalli, dalli!“, drängte uns der Koch. „Bringt das Essen schnell an den Tisch bevor die Gäste eintreffen. So wie ihr ausseht, sollen sie euch nicht sehen.“ Da hatte der Koch recht. Lio und ich hatten uns so beeilt, dass wir dabei ganz
schmutzig geworden sind. Als wir in die Kammer nebenan gingen, kam Solana zu uns. „Los kommt! Ihr seid meine besten Freunde. Ich zeige euch ein Versteck wo ihr alles mit beobachten könnt.“
Bevor wir etwas sagen konnten, zog Solana uns mit sich. „Los! Schnell hier rein!“ Sie schob uns in eine geheime Nische. „Bleibt hier! Von hier aus könnt ihr alles sehen.“ „Aber hören können wir nichts.“, wandte ich ein. „Deshalb auch die hier.“ Solana reichte uns Kopfhörer. „Ich habe unter fast jedem Platz ein Mikrofon versteckt. Die Kopfhörer sind mit den Mikrofonen verbunden. Ihr könnt sie jetzt schon mal einschalten und wir machen einen Test.“ Sie zeigte uns, wie man die Kopfhörer an machte, ging zu den einzelnen Mikrofonen und sprach hinein. Alle funktionierten perfekt und Lio und ich konnten alles mithören. So würden wir nichts verpassen. „Ich muss jetzt leider los. Die Gäste kommen bald“, meinte Solana und ging. Wir schoben uns in die enge Nische und stellten die Kopfhörer an.
Kaum waren wir bereit, kamen auch schon der König und die Königin von Glanzenschein herein. Sie waren in Begleitung einer hübschen Frau mit klargrünen Augen und einem Mann mit Umhang und azurblauen Augen. „Wow! Das müssen die Majestäten von Gordan sein, aber wo ist ihr Sohn und wo ist Solana?“ Lio sah mich an. Solana hat uns doch mal erklärt, dass erst der König und die Königin den Raum betreten und danach die Kinder. Schon vergessen?“, meinte ich.
„Nein. Natürlich nicht. Ich bin doch nicht blöd!“ Lio sah mich an. „Ist ja schon gut, aber kurze Frage: Wer hat denn bitteschön im letzten Jahr die Geburtstage seiner Freunde und auch noch seinen eigenen vergessen?“ Ich kicherte. Lio lief rot an. „Ährn … Sei leise, sonst verstehe ich nichts, Lana!“ Ich war still, denn natürlich wollte ich auch hören, was passierte. Da sagte ein Diener: „Hier kommt eure Königliche Prinzessin: Prinzessin Solana von Glanzenschein.“ Kaum hatte er zu Ende gesprochen, betrat unsere beste Freundin den Raum. Ich musste grinsen. Der Diener, der die Namen ankündigte, hatte gedacht es hieße Königliche Prinzessin. Dabei hatte Solana uns beigebracht, dass es auch bei Prinzen und Prinzessinnen Königliche Hoheit hieß und nicht Königliche Prinzessin. „Wow. Solana ist echt hübsch. Ich wünschte, ich wäre auch eine Prinzessin und so schön wie sie.“, meinte ich. „Wo bleibt denn der werte Prinz? Ist der etwa zu feige um sich zu zeigen?“ Lio wirkte ein bisschen wütend. Vielleicht dachte er, dass der Prinz uns Solana wegnehmen würde. „Er wird mit Sicherheit gleich angekündigt.“, versicherte ich. Doch es geschah
nichts. Die königlichen Familien setzten sich einfach an den Tisch und begannen zu essen. Wir verstanden überhaupt nichts mehr. Selbst Solana schaute fragend drein.
„Äh, Entschuldigung. Mutter, Vater, wo bleibt denn Prinz Leo? Ich würde ihn nun gerne kennenlernen“, hörten Lio und ich sie sagen. Eine Weile sagte niemand am Tisch etwas. Doch dann meinte auf einmal der König von Gordan: „Unser Sohn, Prinz Leo von Gordan, wird nicht kommen. Er ist vor zwei Tagen weggelaufen und wir haben ihn nicht gefunden. Es tut mir leid. Er wollte kein Mädchen heiraten, das er nicht mal kennt.“ Die Königin weinte ein bisschen. „Wir haben Angst, dass mit ihm etwas Ähnliches passiert ist, wie mit unserer Tochter.“ „Entschuldigung Eure Majestäten, aber was ist denn mit ihrer Tochter passiert?“, wollte Solana wissen. „Unsere Tochter. .. Sie wurde vor zwölf Jahren entführt, also eigentlich nicht entführt, sondern unsere Diener sollten sie am Fluss baden und haben sie in einer kleinen Wiege mitgenommen. Als ein heftiger Windstoß kam, fiel derjenige, der unsere Tochter getragen hat,
in den See und unsere kleine Lisa wurde mit der Strömung mitgerissen. Sie war gerade erst ein Jahr alt. Wir wissen nicht, ob sie an Land gespült worden ist oder vielleicht schon längst tot ist. Ihr älterer Bruder, Prinz Leo, hat sie sehr geliebt und vermisst sie heute noch schmerzlichst. Er hat damals Tag und Nacht nach ihr gesucht und das ein halbes Jahr lang. Er sucht heute noch nach ihr.“
Der König wirkte sehr traurig und die Königin von Gordan weinte. „Oh, das tut mir zutiefst leid, Eure Majestäten“, sagte Solana. „Mein lieber, alter Freund. Meine Tochter und ihre Diener gehen morgen für eine Woche zelten. Sie könnten nach deinem Sohn Ausschau halten, nicht wahr, Solana?“, bot Solanas Vater dem König und der Königin
von Gordan an. Die meinten: „Oh, würdet ihr das wirklich tun, Prinzessin?“ „Na klar!“
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Von Kyra T. Eckl: „DER ZIRKEL – Chroniken der Nebeljäger“
(Roman-Auszug)
1
„Und der Zwang überkommt sie, der Zwang zu töten. Tag für Tag und Nacht für Nacht mordet sie um Valance‘ Willen. Und der Zwang duldet keine Pause.“
„Miss Amara?“ Eine zierliche Gestalt zwängte sich durch die Tür, die einen Spalt breit offen stand. Amara hob den Kopf, als eine ihrer Bediensteten ihr Bett erreichte, auf dem sie im Schneidersitz saß.
„Ylvie?“, fragte das Mädchen unsicher, als sie erkannte dass es sich um eine kleine Hauselfe handelte. Aber sie war sich nicht ganz sicher, denn die Dunkelheit im Zimmer hüllte das grazile Geschöpf fast vollständig ein. Nur die spitzen Ohren, der kahl geschorene Kopf und die winzigen, scharfen Zähne waren auszumachen. Amara versuchte, genauer hin zu sehen. Eine Art Kutte bedeckte größtenteils ihre schmächtige Figur, und das grelle Weiß des Stoffes bracht Ylvies schuppig-grüne Haut zum Leuchten. Ihre Augen glänzten hohl und schwarz und Amara brauchte einen Moment, um den unförmigen Fetzen in ihrer Hand als Staubwedel zu identifizieren.
„M’am Valence wünscht Sie zu sprechen.“ In ihrem Unterton schwang etwas beunruhigendes mit, etwas, das Amara aufhorchen ließ. Bitte nicht, bat sie innerlich, nicht schon wieder. Dass die Hauselfe ihren Namen nicht bestätigen würde, war Amara allerdings sofort klar gewesen. Die dürren Wesen durften nie mehr als nur das Nötigste sprechen, und da Valance ihre Namen nicht als nötig, oder gar wichtig befand, taten sie es auch nicht. Doch sie hatte schon beim zweiten Hinschauen erkannt, dass es sich um Ylvie handelte, als sie den kleinen, sternförmigen Fleck am Kinn der Hauselfe entdeckt hatte.
Amara zwang sich zu einem Lächeln. „Vielen Dank, Ylvie.“
Nur mit Mühe konnte sie ein zusätzliches „Lass mich bitte nicht allein“ unterdrücken, indem sie in ihre Stiefel schlüpfte und nach der Elfe das Zimmer verließ.
Der Korridor vor Amaras Zimmer war leer. Als sie ihn ds erste Mal betreten hatte, hatte sie verblüfft festgestellt, dass er den düsteren, endlosen Gängen ähnelte, durch die sie manchmal in ihren Albträumen rannte – was für die Ironie des Schicksals bedeutet hatte, da diese Flure, überhaupt das gesamte Gebäude, nun ihr ganz persönlicher Albtraum war. Rosenförmige Glaslampen zierten seine Längsseiten und es roch nach Staub und Kerzenwachs.
Sie befand sich im Wohntrakt des Gebäudes und damit im Ostflügel. Es war eine endlose Folge höhlenähnlicher Räume, die eher so aussahen, als seien sie im Laue der Zeit von Wasserströmen als Fels herausgewachsen statt plangemäß gebaut worden. Durch halb geöffnete Türen konnte man in unzählige identisch kleine Zellen schauen, die alle mit einem schlichten Bett, einem Nachttischchen und einem großen, offen stehenden Kleiderschrank ausgestattet waren. Die hohen Decken wurden von hellen Steingewölben getragen, von denen viele mit kunstvollen, kleinen Skulpturen verziert waren. Sah man genau hin, stellte man fest, dass bestimmte Motive sich immer wieder wiederholten – Schwerter und andere Waffen, Sterne und Rosen.
Doch Amara achtete nicht darauf, sondern lief schneller. Ihre Schritte waren kaum hörbar, als sie in die Halle stürmte, in der Valence auf einem Thron aus königlich verziertem Satin und anderen teuren Stoffen saß. Die Gründerin des Zirkels war eine hochgewachsene Frau, deren Alter man schlecht schätzen konnte. Sie trug ein hochgeschlossenes, schwarzes Kleid, aus schwerer Seide; ihre stechenden, eisblauen Augen waren wütend zusammen gekniffen und ihr Mund zu einer dünnen Linien zusammengepresst. Amara zog die Schultern zurück, in der Annahme, Valence war auf sie wütend, bemerkte im selben Moment allerdings, dass sie Amara noch gar nicht bemerkt hatte. Erst jetzt registrierte sie die Anwesenheit einer kräftig gebauten, dunkelhäutigen Frau, die vor Valence stand. Graue Strähnen zogen sich durch eine schwarze Mähne, die die Frau zu einem Zopf geflochten hatte. Sie trug ein langes, grünes Gewand aus dickem, festem Stoff. Doch sie brauchte gar nicht genauer hinsehen, um zu wissen, was sie war. Eine Hexe. Sie hatte Amara den Rücken zugekehrt und stritt offenbar mit Valence.
„Thea Veryxúl!“ Valence‘ Stimme dröhnte über die Hexe hinweg, die daraufhin leicht bestürzt den Kopf einzog. „Du hast hier nichts zu suchen! Vor langer Zeit wurdest du verbannt und nun kommst du, weil du eine Nachricht zu verkünden weißt? Das ist erbärmlich.“ Die Hexe räusperte sich. „Aber Valence“, krächzte sie, „ich habe doch bereits gesagt, es ist von großer Bedeutung diese Ankündigung zu erfahren, da -“
„Du bist eine Verräterin, Thea“, unterbrach diese sie schroff. Amara näherte sich lautlos, sprang leichtfüßig die wenigen Meter zu der Hexe, zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und hielt ihn Thea an die Kehle. „Hast du das Schild draußen denn nicht gesehen? Da steht doch extra groß drauf: ‚Verräter verboten!'“ Die Hexe hob graziös die Hand und wendete einen Tympsos-Zauer an, der den Gegner bewusstlos werden ließ. Mit einem Fingerschnippen blockte Amara den Zauber ab und errichtete für einigen Sekunden ein unsichtbarer Schutzschild um sich.
„Das ist ja fast lächerlich“, beschwerte sie sich halblaut – beinahe lethargisch – und inspizierte die Hexe genauer. Ihr Gesicht war kantig und von Falten durchtränkt, wodurch sie älter wirkte als sie vermutlich wirklich war. Amara fiel etwas ein, was sie einmal gelesen hatte, in einem Buch, welches in Valence‘ Bücherei in einem der vielen Regale dort verweste, wie eine Leiche. Hexen waren zwar sterblich, leben aber sehr lange, länger als Normal-Sterbliche.
Aus Valence Richtung war nun ein amüsiertes Glucksen zu vernehmen. Abrupt ließ Amara von Thea ab. Sie wollte nicht den Narr für Valence spielen. Und das würde sie auch nicht. „Lass sie doch reden“, forderte sie stattdessen und verschänkte die Arme vor der Brust. Auffordernd betrachteten die beide die Hexe, die ihrerseits verdutzt Amara anstarrte. „Ich..ich habbe ein neues Opfer für Sie, Valence“, sagte sie schließlich. Valence stieß ein trockenes Lachen hervor.
„Ach ja? Dann verrate mir doch einmal, weshalb ich den Angebot erst nehmen sollte.“ Valence musterte Thea scharf. „Er wird von Micha Chés schon eine Weile beobachtet“, setzte sie an. „Und das hast du erfahren,durch..?“ Die Anführerin des Zirkels sah nicht so aus, als würde sie der Verbannten Glauben schenken. „Meine Spione“, antwortete Thea prompt. „Keon Blake ist perfekt. Er ist jung, von Trauer überwältigt und treibt in der Flut der Vergangenheit.“
Irgendwas in Amara horchte plötzlich auf. Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas…sie musste sich an etwas erinnern…Aber…an was nur? „Keon Blake“, wiederholte Valence tonlos. Die Hexe nickte eifrig. „Nun gut.“ Amaras Blick wanderte zu Valence’s langen, dünnen Fingern, deren Nägel zufrieden auf die Armlehne ihres Thrones trommelte. Um Valence‘ Mundwinkel zeigte sich ein Lächeln. Ein boshaftes Lächeln. Amara schloss die Augen, sie wusste was jetzt kam. Valence‘ Stimme klang für sie nur weit entfernt, doch nah genug, um jedes Wort zu verstehen. Und jedes Wort schmerzte in ihrer Seele, als würde man ihr Dolche tief ins Herz rammen. Sie wollte es nicht. Sie wollte nicht schon wieder morden. Nicht schon wieder dastehen, in einer Blutlache, über einen leblosen Körper gebeugt, und das mit dem Tod befleckte Schwert aus der Leiche ziehen.
„Amara! Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!“
Amara blinzelte, schluckte die aufsteigenden Tränen hinunter und stierte daraufhin Valence trotzig an, erwiderte jedoch nichts. Valence‘ Stimmlage klang schrill in ihren Ohren, wie zerbrochenes Glas. Die Glasscherben des Schrecklichen, dachte Amara verächtlich.
„Du hast Thea gehört: Keon Blake ist dein neues Opfer.“ Amara zog scharf die Luft ein und ihre Augen funkelten wütend. „Ach ja? Ich muss dich wohl korrigieren, Valence. Es ist nämlich d e i n Opfer, nicht meines! Oder glaubst du wirklich, ich würde all dies hier tun, stände ich nicht unter dem Bann, nach deinen Regeln zu spielen? Glaubst du wirklich, ich würde hier stehen, würdest du mich nicht zu allem, wirklich allem, zwingen?“
Mit diesen Worten stürmte sie aus dem Raum und schaffte es gerade mal zwei Meter weit, bis sie zusammenbrach und zu weinen begann. Vielleicht war sie eine talentierte Kriegerin, doch so sehr Valence sie auch gebrochen hatte, sie war immer noch ein Mädchen mit Gefühlen.
2
„Man sagt sich, es sei kein Band des Vertrauens, welches man mit Valence schließt. Es sei
jenes der Täuschung, weil man im freien, ungebändigten Geiste, noch immer den Wille
besäße, zu spüren und zu fühlen, wie ein Mensch.«
»Da bist du ja endlich!«
Erleichtert stieß Dyara sich von der Mauer ab und lief Amara entgegen, die die dunkle Gasse
entlang schlenderte. Sie trug noch immer ihre schwarze Kampfmontur, hatte sich jedoch
einen roten Schal um den Hals geschlungen, der in der Finsternis leuchtete. Ihre schwarzen
Haare fielen schwer an ihr herab und reichten ihr bis zur Hüfte. Sie deutete ein kleines
Lächeln an und umarmte ihre Freundin kurz.
Sich mit einem Nicht-Mitglied des Zirkels zu treffen, war strengstens untersagt, weshalb
Amara dadurch mindestens gegen ein Dutzend Regeln verstoß. Doch es war ihr egal. Valence
mochte die Macht über das haben, was sie hauptsächlich tun sollte, doch sie konnte ihr
längst nicht alles verbieten. Und sie wusste auch längst nicht alles.
„Warum wolltest du dich hier mit mir treffen?« Amara sah sieh kurz um. Die Häuser hier
waren hoch und schmal und so eng aneinander gereiht, dass es aussah, als hätten sie nicht
genug Platz. Keine einzige Straßenlaterne beleuchtete das Pflaster und die beiden
Nebeljägerinnen hatten kurz zuvor einen Nacht-Sicht-Zauber angewendet, da nicht einmal
der Mond Licht spenden konnte, weil er von den Häuserdächern verdeckt wurde. Die
Gegend war verlassen und trostlos und Amara wollte nichts lieber als fort von hier. Sie
hasste es, bei Valence eingesperrt zu sein, da wollte sie sich doch nicht in einer Gosse treffen.
Schon gar nicht, wenn sie es heimlich tat.
Dyara verzog das Gesicht zu einem kläglichen Lächeln und zeigte hinter sich. Vor Schreck
hätte Amara beinahe einen Satz in die Höhe gemacht. Sie zog ihr Schwert und musterte den
dunkelhaarigen Jungen scharf. »Ganz schön dreist von dir, hier aufzutauchen, Chés. Solltest
du nicht auf diesen komischen … Keon aufpassen?« Micha lachte trocken auf. »Ach ja? Du
hast hier doch genauso wenig was zu suchen wie ich.« Seine Augen blitzten herausfordernd.
Amara ließ das Schwert halb sinken. »Verrätst du Valence was, schneide ich dir die Zunge
raus«, zischte sie und im nächsten Moment steckte das Schwert wieder in ihrem Gürtel. Micha nickte nur desinteressiert und ließ seinen Blick über die geteerten Straßen schweifen, die still vor ihnen lagen. »Also? Ich warte.« Amara sah Dyara erwartungsvoll an. Doch die zuckte nur hilflos mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Micha hat gesagt, du hast einen …Neuen.» Amara verkrampfte sich. »Es ist nicht mein Neuer«, entgegnete sie bitter. »Es ist
Valence‘ Neuer.« Ihre Fingernägel gruben sich tief in ihre Handballen als Micha antwortete.
»Das spielt doch überhaupt keine Rolle, Fonté.« Er stöhnte genervt, als sie ihm ins Wort fiel.
»Oh, doch! Das spielt eine sehr große Rolle, Chés, denn ich muss Menschen töten. Wegen ihr.
Ich will das doch alles gar nicht.» Der letzte Satz kam so leise heraus, dass die beiden sie fast
nicht hörten. Amara fühlte sich unendlich schwach und sank zu Boden. Dyara kniete sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schultern.
Der dritte Nebeljäger sah stirnrunzelnd auf die beiden herab. »Und du sollst ihre beste
Kriegerin sein? Das ich nicht lache.« Amara sprang ruckartig auf und zog ihr Schwert. Bereits einen Wimpernschlag später berührte die Spitze der Klinge den jungen Nebeljäger an der Brust, genau an der Stelle, an
der sein kaltes Herz saß. »Ist das Antwort genug?«, fauchte Amara, während ihre Finger sich fest um das Heft der
Waffe krampften. Dyara zog ihre Freundin sanft zurück, die daraufhin das Schwert wieder
wegsteckte, jedoch nicht, ohne Micha vorher noch einen bösen Blick zuzuwerfen. »Was willst
du jetzt eigentlich? Mich nerven, oder was?«
Micha zog wortlos ein Stoffbündel hervor und reichte es ihr. »Hier. Das wirst du brauchen.«
Amara starrte verdutzt auf die Kleidung, die er ihr gegeben hatte. »Was soll ich damit?«,
fragte sie und faltete die Sachen kurz auseinander, um sie zu betrachten. Enge Jeans und drei
schwarze T-Shirts, die mit irgend welchen Marken bedruckt waren, die Amara nicht kannte.
»Du musst sein Vertrauen gewinnen. Spiel die Neue. Du musst ohnehin in seiner Nähe sein,
da trifft es sich doch gut, dass du nur auf die Schule gehen musst. Ich geh da auch hin.«
Amara schenkte ihm einen belustigten Blick und er fügte hastig hinzu: »Natürlich nur um
ihn zu beobachten. Spionieren und so.« Seufzend hob Amara ihre Hand, drehte diese und murmelte leise ein paar Worte vor sich hin. Einen Augenblick später hielt sie einen Lederrucksack in der Hand. Sie steckte das
Knäuel hinein und schwang ihn sich über die Schulter.
»Der Extruso-Zauber.“ Dyara nickte anerkennend. Der Rucksack würde sofort verschwinden, sobald Amara wieder in Valence Nähe war, da das ein Zauberspruch war, den eigentlich nur die Elben benutzten und überhaupt benutzen konnten. Sie selbst hatte Amara den Spruch beigebracht. Amara lächelte ihr kurz zu, dann wandte sie sich wieder an Micha. »Schätze mal, ich schulde dir was. Aber du kannst jetzt gehen.« Micha zog eine Augenbraue hoch. »Tja, und ich schätze mal, ein Danke wäre angebracht.« Daraufhin drehte Amara sich einmal um die eigene Achse und schaute sich dabei suchend um. Dann stoppte sie und legte den Kopf schief. »Tschuldige, Chés, aber ich befürchte, ein Danke haben wir momentan nicht im Angebot.«
»Ihr seid ja genauso schlimm wie Geschwister!« Die Halb-Elbin verschränkte die Arme und grinste. Die beiden sahen Dyara erschrocken an und wechselten einen schnellen Blick.
»Was? Nein!«
»Keinesfalls!“
Dyara nickte vielsagend. »Seht ihr. Wie Geschwister.« Ihre Freundin schnaubte empört, gab aber keine Antwort. Eine peinliche Stille breitete sich zwischen den Dreien aus, und obgleich sie schließlich so unerträglich wurde, öffnete selbst Amara nicht die Lippen. »Ich geh dann mal.« Micha räusperte sich endlich, trat ein paar Schritte zurück und ehe die beiden Nebeljägerinnen sich versahen, war er mit der Dunkelheit verschmolzen. Die beiden Mädchen seufzten simultan auf. Erleichtert blieben sie eine Weile so stehen, starrten auf die Risse der Mauer, in dessen Schatten der Junge vor wenigen Augenblicken verschwunden war.
»Langweilig«, bemerkte Amara jedoch dann. Dyara wandte den Kopf und sah sie fragend an. »Na, sein Abgang. Einfach nur langweilig.« Ihre Freundin lächelte gequält und musste daran denken, wie ihre Freundin sich verhalten würde, wenn Amara keine Nebeljägerin wäre. In einer … anderen Situation hätte Micha Amara gefallen. Er war genau ihr Typ.
Mehr noch: Wahrscheinlich gefiel Micha ihr so oder so. Seine blasse Haut, die langen, dichten Wimpern und seine eisblauen Augen. Hinter ihnen lag etwas verborgen, was man nicht hätte leugnen können. Etwas, das an den Jungen erinnerte, der er einmal gewesen war. Vor sehr langer Zeit.
Micha Chés hatte das gleiche Schicksal erlitten wie Amara. Er hatte ein glückliches, sterbliches Leben geführt. Zumindest, bis er von Valence gefangen wurde. Doch ganz im Gegensatz zu Amara, hatte er sich mit seinem Schicksal abgefunden. Traurig wanderten ihre Augen zu Amara, an ihr herab, von ihren Händen, die mit dünnen, weißen Narben übersät waren, bis hin zu ihren Stiefeln, und wieder zu ihrem Gesicht zurück. »Was ist?«
Ertappt zuckte Dyara zurück. »Nichts«, murmelte sie hastig. Amara zuckte mit den Schultern, obgleich sie wusste, dass das eine Lüge war.
Jeder hatte Geheimnisse.
Dyara gehörte offensichtlich auch dazu. Aber es war ihr egal.
Sie selbst hatte ja auch welche.
°Jury-Urteil: „Mit dem ZIRKEL liefert diese Jungautorin mehr als nur eine Talentprobe! In ihren – vorerst noch als Romanfragment vorliegenden – Chroniken der Nebeljäger steckt viel Substantielles, das sich so auf den Punkt bringen lässt: Dark Fantasy at its best…“ (Karl Stumpfi)
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SCHÜLER-BEITRÄGE für die KVU-Kreativ-Aktion NEUNBURG SCHREIBT
Einsendungen der Gregor-von-Scherr-Realschule Neunburg v. W., Klasse 6c, betreut von Studieneferendarin Isabell Kelnberger:
GEDICHTE
Ein Hoch auf Neunburg vorm Wald
Aus Winklarn komme ich hierher,
und muss sagen, es gefällt mir sehr.
Neunburg ist ne schöne Stadt,
auch wenn sie kein Mc’Donalds hat.
Im Stadtpark geh’n wir gern spazieren,
um dann in der Eisdiele Eis zu probieren.
Auch ein Pfalzgrafencenter haben die,
das offensichtlich ‘baut hat ein Genie.
Eingemietet ham sich viele Läden,
doch finden kannst du keine Schmuckläden.
Thea, 12 Jahre, 6c
Fellnasenliebe
Hunde sind Herzen auf vier Pfoten,
ihnen interessiert nicht, falls mal schlechte Noten.
Sie sind liebenswert und treu,
doch auch sie haben manchmal Angst und Scheu.
Dann knurren sie und bellen laut,
aber die Angst verfliegt, wenn man sie krault.
Ich habe zwei Hunde, darüber bin ich sehr glücklich,
komm ich nach Hause, flitzen sie zu mir, augenblicklich.
Wir sind Freunde, solange unsere Reise geht,
das ist Fellnasenliebe – dir nur so entsteht!
Selina, 11 Jahre, 6c
Winter
Heiße Schokolade
kalte Nächte
Schnee liegt am Boden
Lichter leuchten
Häuser werden geschmückt
Eva, 11 Jahre, 6c
Verrückte Weihnachtszeit
Weihnachten,
als alle zumachten.
Eine komische Zeit,
alle sitzen zu Hause bereit.
Keiner darf raus,
aus dem eigenen Haus.
Nur mit dem Hund,
das ist ein dringender Grund.
Also machen wir uns es zu Hause gemütlich,
und warten auf das Christkind minütlich.
Magdalena, 11 Jahre, 6c
RÄTSEL UND GESCHICHTEN
Woher der Adventskalender kommt …
Gut 100 Jahre ist es her, da lag ein kleiner deutscher Junge, er hieß Gerd Lang, seiner Mutter mit einer Frage ständig im Ohr: „Wie lange dauert es noch bis zum Heiligen Abend?“ Um ihrem Sohn die Zeit zu verkürzen, nahm sie kleine Schachteln, verzierte sie mit Zahlen und legte Plätzchen hinein. Als Erwachsener griff Gerd Lang die Idee seiner Mutter wieder auf und brachte 1904 in München den ersten gedruckten Adventskalender heraus.
Johannes, 11 Jahre, 6c
Die Weihnachtszeit
Die Weihnachtszeit ist eine schöne Zeit, man verbringt sie mit der Familie.
Die Weihnachtszeit ist eine Zeit wo alle Menschen nett zueinander sind, vor allen in diesen Corona- Zeiten.
Den Christbaum schmücken das ist toll, als auch Plätzchen essen und Punsch trinken.
Ich finde die Weihnachtszeit ist besonders schön, weil man da viel mehr mit der Familie macht. Frohe Weihnachten!
Emily, 11 Jahre, 6c
Fröhliche Weihnachten
Die Welt ist wie verwandelt jetzt, denn es beginnt das Weihnachtsfest. Momente voller Liebe und Herzlichkeit wünsch ich dir nun zur Weihnachtszeit. Freude haben, mit nichts mehr plagen, an den himmlischen Weihnachtstagen. Habe ein ganz wundervolles Fest, welches keine Wünsche offen lässt.
Leo, 13 Jahre, 6c
Welches Gebäude bin ich?
Mein Gebäude hat die Farbe gelb.
Ungefähr sind hier jeden Tag 500 Personen, demnach ist es ziemlich groß.
Es gibt vier Etagen, einschließlich eines Kellers.
Außerdem gibt es sehr viele Fenster mit der Fensterrahmenfarbe türkis-grün. Mein Gebäude befindet sich an derKatzdorferStraße und ist ziemlich auffällig. Die Personen die dieses Haus besuchen sind meist Jugendliche.
Weiß jeder von welchem Gebäude ich rede?
(Lösung: GvS Realschule)
Judith, 12 Jahre, 6c
Wer bin ich?
• Ich bin aus Stein
• Ich besitze eine traurige Vergangenheit
• Ich bin 98 Jahre alt
• Ich wurde zerstört und wieder aufgebaut
• Meine Aufgabe ist es, zu mahnen und zu gedenken
• Hin und wieder werde ich mit Blumen geschmückt
• Ich stehe in der Ortschaft
(Lösung: Kriegerdenkmal)
Karolin, 11 Jahre, 6c
Erkennst du mich?
Ich habe viele türkise Fenster und meine Hülle ist gelb.
Durch eine Tür gehen viele Kinder ein und aus.
Dort gibt es Noten von eins bis sechs.
Wegen Corona war ich in diesem Jahr leider oft alleine.
Darüber waren die Schüler sehr traurig!
Außerdem erreicht man hier den mittleren Abschluss.
Weißt du wer ich bin?
(Auflösung: Die Gregor-von-Scherr-Schule Neunburg vorm Wald)
Andreas, 12 Jahre, 6c
Kleines Rätsel über Neunburg
• Ein großes, weinrotes Gebäude mit vielen braunen Sprossenfenstern und weißen Rahmen um die Fenster
• Das Haus hat viele Balkone und viele Räume
• Es ist in der Nähe von der „Duscher-Kreuzung“
• Es ist ein Treffpunkt für Jung und Alt
• Man kann dort Übernachten, Feste feiern
• Im Gebäude ist ein Aufzug
• Es gibt einen Hinterhof
• Vor Corona waren immer sehr viele Leute in dem Gebäude
• Es steht ein „Mitnehm Haisl“ vor der Tür und daneben ein Weihnachtsbaum
• Im Sommer kann man im Biergarten sitzen und es gibt die besten Schnitzel der Welt dort
(Auflösung: Hotel-Gasthof Sporrer)
Jonas, 12 Jahre, 6c
Es hat vier Beine…
Es lebt manchmal am Bauernhof.
Es hat verschiedene Fellfarben.
Früher wurde es als Arbeitstier benutzt. Heute ist es ein Hobby.
Was ist gemeint?
(Lösung: Pferd)
Anna, 11 Jahre, 6c
Was ist es?
Der Ort, den ich beschreibe, wird über eine Wärmepumpe mit Erdwärme erhitzt. Oberlichter im Saal sind als lichtdurchlässige Photovoltaikpanels ausgebildet. An diesem Gebäude angeschlossen ist eine Markthalle, in der sich ein Verkaufsmarkt befindet. Es befindet sich in der Ortsmitte von Neunburg vorm Wald. Es hat eine Betonmauer und von innen sieht es etwas aus wie eine Turnhalle. Da drinnen ist es nicht besonders warm.
(Lösung: Schwarzachtalhalle)
Verena, 12 Jahre, 6c
WITZE
Was ist riskanter?
Niesen, wenn man Durchfall hat oder in Corona-Zeiten?
Alexander, 11 Jahre, 6c
Was ist grün und steht vor der Tür?
Ein Klopfsalat
Erblina, 11 Jahre, 6c
In Neunburg vorm Wald befragt ein Polizist Sven, der auf dem
dem Fahrrad einen Unfall hatte: „Du sagst also, dass du geklingelt hast, bevor du die Frau auf dem Bürgersteig angefahren hast?“ „ Ja klar“, sagt Sven, „ich klingle immer, bevor ich Leute anfahre.“
Warum ist der Eisbär weiß und nicht rot?
Wenn er rot wäre, hieße er nicht Eisbär sondern Himbär.
Andreas, 12 Jahre, 6c
Geht ein Mann zum Arzt und sagt: ,,Meine Frau hat sich beide Beine gebrochen“.
Da sagt der Arzt: „Ach, die Arme“. Da sagt der Mann: „Nein, die Beine.“
Katharina, 11 Jahre, 6c
Welche Vögel können nicht hören? – Die Tauben.
Amelie, 11 Jahre, 6c
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Einsendungen der Gregor-von-Scherr-Realschule, Klasse 9d, betreut von Realschullehrer Michael Fleischmann,
Bilder mit Gedichtsparodien: Die Klasse machte sich bei der Beschäftigung mit der Literaturepoche der Romantik zur Aufgabe, zwei Gedichte von Heinrich Heine („Das Fräulein stand am Meere“ und „Leise zieht durch mein Gemüt“) dialektal zu verfremden, damit zu parodieren und die Szene künstlerisch darzustellen.