Schüler befassen sich mit der Luther-Installation in St. Jakob:

Wenn Reformation in katholische Kirche kommt

"Antependium" der zweiteiligen Luther-Installation der Künstlerin Andrea Thema in der Kirche St. Jakob am Aign - Station der Internationalen Kunstprozession "Ahoj 17 - Gemeinsame Wege in Glaube und Kunst" in Neunburg vorm Wald.

„Antependium“ der zweiteiligen Luther-Installation der Künstlerin Andrea Thema in der Kirche St. Jakob am Aign – Station der Internationalen Kunstprozession „Ahoj 17 – Gemeinsame Wege in Glaube und Kunst“ in Neunburg vorm Wald.

In Neunburgs ältestem Bauwerk, die romanische Kirche St. Jakob am Aign, hat fünf Wochen lang die Reformation Station gemacht. Im engen Zusammenhang mit dem 500. Jahrestag des Wittenberger Thesenanschlags steht die zweiteilige Luther-Installation der Künstlerin Andrea Thema, Burgthann bei Nürnberg. Nach den Feiertagen „Reformation“/31. Oktober und „Allerheiligen“/1. November wird das Kunstwerk abgebaut.

Pfarrer Gerhard Beck von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Neunburg vorm Wald besuchte kürzlich mit seiner 7/8. Klasse die kleine katholische Kirche in der Vorstadt. Ein Teil des Unterrichtsganges bestand darin, dass die Schüler zu einer Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk angeregt wurden. Dazu hatte der Pfarrer ein Arbeitsblatt „Besuch der Installation Luther“mit diversen Fragestellungen vorbereitet. Zum Beispiel: Betrachte den Kirchenraum mit den roten Farben. Was fällt Dir dazu spontan ein? Oder: Dieses Kunstwerk heißt „Luther“. Warum wohl? Einher ging der Appell an die Kinder, sich selbst kreativ zu betätigen und einen Altarraum zum Thema „Luther“ zu gestalten. Die von Gerhard Beck auch im Namen der Schüler für die Öffentlichkeit freigegebenen Kommentare, Gedanken und Kritiken wurden Andrea Thema zur Beantwortung zugeleitet.

Am 8. Oktober kam die gewünschte Rückmeldung der Künstlerin – sie ist Expertin für Paramentik – in Briefform. ThemaAndrea Thema nutzte dies, ihre Gedanken wiefolgt auf den Punkt zu bringen: „Provokation ist notwendig, um Publikum und Kritiker herauszufordern. Kunst ist für sie Faszination und Provokation zugleich“, schreibt Thema und erläutert ihr in St. Jakob ausgestelltes Kunstwerk näher: „Meine  Installation Luther in der stark abstrahierter Form, ästhetisch als Parament präsentiert, fügt sich harmonisch in den Altarraum ein, ist so installiert, dass sie auf räumliche Vorgaben des Altarraumes eingeht, die vorhandenen Linien aufnimmt und ist dennoch eine sehr subtile Form der Provokation“.

Es ist laut Andrea Thema nicht auf Anhieb und sofort erkennbar, dass die Installation Luther keinem liturgischen Zweck dient. Deshalb nachfolgende Gedankenansätze zur näheren Betrachtung und Erläuterung: 1. Teilung/ Spaltung; 2. Bild/ Bildnis/ Abbildung; 3. Farbsymbolik: Rot/ Feuerrot; 4. Paramentik und Reformation.

*Teilung/ Spaltung: „Ich denke es liegt ziemlich nahe, dass mit der Reformation und damit auch durch Luther die Gläubigen in zwei Lager geteilt wurden. Dass es zur Kirchenspaltung kam, haben sicher beide Seiten zu verantworten. Die katholische Reform war kein Selbstläufer, sie wurde angestoßen und musste angestoßen werden. Indirekt erfuhr auch die katholische Kirche durch Luther eine Veränderung. Was Luther der Kirche gebracht hat waren dringende Reformen. So denke ich, dass meine 2- teilige Installation in einer katholischen Kirche den richtigen Platz gefunden hat, um Menschen zum Nachdenken zu bewegen, sie gegebenenfalls zu provozieren und zu faszinieren“.

*Bild/ Bildnis/ Abbildung: „Hier hat Luther eine Sonderstellung inne. Seine Haltung zu Bildern im kirchlichen Gebrauch steht im schroffen Gegensatz zu den bilderfeindlichen und bilderstürmerischen Tendenzen seiner Tage. Luthers Zorn richtete sich gegen die Vorstellung, durch fromme (Bilder-)Stiftungen, könne das Seelenheil erlangt werden. Durch den reformatorischen Bildersturm wurden  Bildwerke in ganz Europa mit Darstellungen Christi und von Heiligen sowie weiterer Kirchenschmuck aus den Kirchen entfernt, teils verkauft oder beschlagnahmt, beschädigt  und vernichtet. Durch den Bildersturm gingen sehr viele Kunstgegenstände des Mittelalters unwiederbringlich verloren. Den Bildersturm in Wittenberg 1522 beendete Luther Kraft seiner Argumentation. Meine Installation Luther verzichtet auf eine bildhafte Darstellung, um auf diese Begleiterscheinung der Reformation und Luthers Haltung hinzuweisen. Sie lässt aber auch Raum für eigene Gedanken des Betrachters“.
*Farbsymbolik: Rot/ Feuerrot: „In der evangelischen Kirche wird am Reformationstag die Farbe Rot gehängt, weil sie die Farbe der Kirchenfeste ist. Rot, die Farbe des Hl. Geistes, des Blutes, der Liebe aber auch des Feuers. Die Reformation der Kirche war wichtig und was Luther anprangerte waren unchristliche Zustände in der Kirchenspitze. Die Reformation findet ihren Ursprung in der Liebe zu Gott und den Menschen. Der Hl. Geist kam herab und hat kluge Köpfe, Gelehrte erleuchtet, bei uns war das Martin Luther. Zumeist denken wir bei Luther sofort an die 95 Thesen, den Anschlag der Thesen an die Schlosskirche zu Wittenberg oder an die Übersetzung der Bibel während seiner Zeit als Junker Jörg auf der Wartburg. Das sind wichtige und nachhaltige Werke
Martin Luthers. Die Menschen damals waren von Ängsten und Nöten gepeinigt. Auch Luther hatte bis zu seinem Tod Schwächen, Nöte und Ängste aus denen heraus u. a. auch seine Haltung gegenüber Hexen und Dämonen entstand“.

*Paramentik und Reformation: „Die liturgischen Farben wurden schon lange vor Luther festgelegt. Sie werden dem kirchlichen Jahreskreis mit seinen Festen zugeordnet. Während der Reformation verschwanden nach und nach Paramente an Altar und Kanzel (Antependien) aus den Gotteshäusern. Im Gegenzug wurde es bei den Katholiken zur Pflicht, Paramente an Altar und Kanzel zu hängen. Als 1857 Pfarrer Wilhelm Löhe (Gründer der Diakonie ) sein Diktat des Aufsatzes „Vom Schmuck der Heiligen Orte“ verfasste, hielten Antependien Einzug in evangelische Gotteshäuser. Es entstand ein regelrechter Boom. Die evangelischen Kirchengemeinden  wollten und wollen bis heute Altar und Kanzel in den liturgischen Farben schmücken. Als Gegenbewegung verschwanden Antependien weitgehend aus den katholischen Kirchen. Der liturgische Farbkanon zeigt sich in der katholischen Liturgie an der Kleidung, selten an Altar und Kanzel“.

Der Brief der Künstlerin Andrea Thema an die Schülerinnen und Schüler endet mit der Feststellung: „Du hast nun vielleicht Zugang zu meiner Installation gefunden…Ich muss sagen, dass es keine leichte Aufgabe ist, innerhalb einer so kurzen Zeit eine so große Aufgabe zu bewältigen. Herr Pfarrer Beck hat es euch nicht leicht gemacht. Schön, dass Du Dich darauf eingelassen hast….Viele Grüße aus dem Atelier sendet Dir, Andrea Thema“.

  •  Weitere Kunstwerke von Andrea Thema bei „Ahoj 17 – Gemeinsame Wege in Glaube und Kunst“:

geKREUZigt, eine Installation in der evangelischen Versöhnungskirche in Neunburg vorm Wald, zum Lutherjahr 500 Jahre Reformation

Das KREUZ IM RAUM, eine temporäre Installation im Kunstquartier in Neunburg vorm Wald, Im Berg 7,

 

 

 

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