29. Juni: Märchenoper-Vorspiel, Doppelkonzert und Sinfonie

Werke von Humperdinck, Brahms und Dvorak

Flyer_OberviechtachENGELBERT HUMPERDINCK (1854 – 1921)

Ouvertüre zur Märchenoper „Hänsel und Gretel“

Der Zaun aus (Leb-) Kuchenmännern beim Hexenhaus und das Uraufführungsdatum 23. Dezember haben gereicht, um aus „Hänsel und Gretel “ – Engelbert Humperdincks  Märchenspiel  von 1893 – auf ewig eine Weihnachtsoper zu machen, obwohl sie im Sommer spielt…

Komponist Engelbert Humperdinck

Komponist Engelbert Humperdinck

Generationen von Kindern haben damit ihre ersten Musiktheatererfahrungen gemacht; das Stück ist hierzulande nach wie vor neben Mozarts  „Zauberflöte“ die meistgespielte Oper in deutscher Sprache. Das ursprünglich für eine Aufführung im Familienkreis vorgesehene „Kinderstuben-Weihfestspiel“ – so der auf Wagner anspielende Titel der frühen Fassung von 1890 – vergrößerte Humperdinck zur vollgültigen, großorchestrierten Oper, ohne die „Kinderstube “ zu vergessen, aus der sie hervorgegangen war.

Im Vorspiel nimmt der berühmte  „Abendsegen“ vom Ende des zweiten Bildes („Abends will ich schlafen gehn, vierzehn Engel um mich stehn… „) eine zentrale Stellung ein. Er beansprucht als langsame Einleitung fast ein Drittel der Gesamtlänge, um dann dem ersten Themenkomplex (Hänsels  „Hokus Pokus“ aus dem Finale der Oper und das „Der Wind, der Wind “ aus der ersten Begegnung mit der Hexe) einer verkürzten Sonatenform Platz zu machen. Vom Ende der Oper stammen auch das zweite Thema („Die Englein haben’s im Traum gesagt“) und die triumphale Schlussgruppe (» Die Hexerei ist nun vorbei“). In Letztere steigert sich der Satz schließlich auch, wobei Humperdinck sich erfolgreich an die Stimmung von Wagners „Meistersinger“-Vorspiel annähert. Den Abschluss bildet aber die Wiederkehr des Abendsegens, der auch die Oper beschließt:  „Wenn die Not aufs höchste steigt, Gott der Herr die Hand uns reicht!«

JOHANNES BRAHMS (1833 – 1897):

Konzert für Violine und Violoncello a-moll  op. 102

Der Anfang würde sich perfekt für einen kleinen theatralen Effekt eignen: Angenommen, das Publikum wüsste nicht Bescheid, welche Art von Stück es erwartet, könnte man es so beginnen, als handele es sich einfach um ein Konzert für Violoncello und Orchester. Die nach den einleitenden Orchesterschlägen einsetzende, über 20 Takte dauernde Solokadenz des Cellos würde perfekt ins Bild passen. Doch dann, nach den weichen Einsätzen der Bläser, könnte hinten aus dem Orchester, zunächst optisch nicht erkennbar, die Solovioline mit ihrem ersten Einsatz heraustreten: die Überraschung wäre perfekt…

Komponist Johannes Brahms

Komponist Johannes Brahms

Denn Johannes Brahms komponierte 1887 mit seinem Opus 102 als letztes großes Orchesterwerk, eines der wenigen Doppelkonzerte des 19. Jahrhunderts. Dazu bedurfte es einer Anregung von außen und einer persönlichen Motivation: Der Cellist Robert Hausmann, dem Brahms mit der Sonate op. 99 schon die Bitte nach einem „Seitenstück“ zu seiner ersten Cellosonate op. 38 erfüllt hatte, hatte sich von Brahms auch ein konzertantes Werk gewünscht. Brahms verband das Eingehen auf diesen Wunsch schließlich mit einem eigenen Anliegen, das darin bestand, die aus privaten Gründen abgekühlte Freundschaft zu dem großen Geiger Joseph Joachim (für ihn komponierte Brahms sein epochales D-Dur Violinkonzert) wiederzubeleben. Beides – den Cellisten zufrieden- und den Kontakt zu Joachim wiederherzustellen – gelang; am 21. September 1887 notierte Clara Schumann nach einer Klavierprobe: „Es ist dies Concert gewissermaßen ein Versöhnungswerk – Joachim und Brahms haben sich seit Jahren zum ersten Mal wieder gesprochen. “ Eine Anspielung im Seitenthema des ersten Satzes auf ein gemeinsames Lieblingswerk (Giovanni Battista Viottis Violinkonzert Nr. 22 in der selben Tonart a-moll) dürfte der Sache förderlich gewesen sein.

Das Zusammenspiel der beiden Soloinstrumente – von einem konzertanten Wettstreit um die  „Lufthoheit “ über dem Orchester ist nichts zu spüren – ist von einem harmonischen Ineinandergreifen geprägt: von komplementär sich abwechselnden Spielfiguren über geschmeidiges Rollentauschen von Melodiestimme und Begleitung bis hin zu gemeinsamen, mehrstimmigen Akkorden. Diese kollegiale Konstellation kann man durchaus als Sinnbild der erneuerten Freundesbande zwischen Brahms und Joachim auffassen.

ANTONIN DVORAK (1841 – 1904)

Sinfonie Nr. 8 G-Dur op 88

Mit der anlässlich seiner  „Aufnahme in die Böhmische Kaiser-Franz-Joseph-Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst“ komponierten 8. Symphonie in G-Dur habe sich Antonín Dvořák endgültig von deutschen Vorbildern, vor allem vom Einfluss durch Johannes Brahms frei gemacht: So lautet häufig das zusammenfassende Fazit zu diesem 1889 entstandenen, 1890 uraufgeführten Hauptwerk des Komponisten.

Komponist Antonin Dvorak

Komponist Antonin Dvorak

Wenn man die großartige, fünf Jahre zuvor komponierte 7. Symphonie als produktives Ringen mit diesem Einfluss und eine Art Durchgangsstation deuten will, kann man das in Bezug auf die Achte durchaus so sehen. Auffällig ist aber vor allem, mit welcher Souveränität, Selbstsicherheit und Verve sich Dvořák nun die symphonische Form zu eigen macht.

Schon der Beginn ist ein Paradebeispiel dafür, wie Dvořák die traditionelle Form nicht nur mit Kontrasten in Thematik und Harmonik, sondern auch durch extreme Wechsel der orchestralen Register dynamisiert: Dem elegischen g-moll-Motto in den durch Horn, Fagott und Klarinette eingefärbten Celli setzt er nach der Dur-Aufhellung der Geigen eine beschwingt hüpfende Melodie in hoher Flötenlage entgegen, deren Rhythmus den Satz fortan entscheidend prägen wird. Nachdem die Durchführung mit einer heiteren, naturnahen Episode zunächst eine überraschend entspannte Wendung zu nehmen scheint, zieht Dvořák die dramatischen Zügel rasch an und taucht mit einer unwiderstehlichen Variante des Moll-Dur-Übergangs vom Beginn triumphal in die Reprise ein. Auch im langsamen Satz, dem Herzstück der Symphonie, dessen emotionales Wechselbad vom Trauermarschcharakter ausgeht, spielt der Registerwechsel hoch-tief eine wichtige Rolle und wieder ist die Flöte maßgeblich beteiligt. In den zur Mitte hin sich zu Choralgröße aufschwingenden Trompetenfanfaren und der anschließenden, fast opernhaften Dramatik kann man hören, wo Gustav Mahler sich seine frühen symphonischen Inspirationen holte. Die Beruhigung zur streicherseeligen Idylle wird gegen Ende hin noch einmal schmerzlich in Frage gestellt.

Im herrlichen Walzer-Scherzo hört man den Einfluss Tschaikowskys heraus, das Trio ist melodisch dann aber purer Dvořák, und beim Spiel mit Zweier- und Dreierrhythmus schaut dann doch wieder Brahms über die Schulter… Der von den Trompeten markant eröffnete Finalsatz  schließlich bezieht seinen elektrisierenden Schwung aus dem Wechsel von vorwärtstreibenden und nachdenklich innehaltenden Passagen. Den letzten dieser ruhigen Momente spinnt Dvořák zu einer ausgedehnten Episode aus, bevor er sie vom Schlusswirbel fortreißen lässt.

Text: Juan Martin Koch, MZ-Musikkritiker

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EINTRITTSKARTEN  (16/12 €) für das Sinfonische Sommerkonzert des Orchesters am Singrün Regensburg am Samstag, 29. Juni, 20 Uhr, in der OGO-Sporthalle Oberviechtach gibt es online unter www.okticket.de, in den örtlichen VVK-Stellen und an der Abendkasse!KVULogo2017

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