Von Udo W e i ß, NT
Im heimeligen Ambiente der Spitalkirche formen Worte und Klänge „Lyrik der aufregenden Art“. Im 7. Neunburger Kunstherbst erlebt das Publikum einen Mix aus Parodien, schaurigen Szenen und grotesken Interpretationen.
Einen überaus eindrucksvollen Gedichtabend unter dem Thema „Wortes Klang – Lyrik der aufregenden Art“ gestalteten die beiden Akteure Michael Braun und Michael Chwatal in der Spitalkirche. Zur vierten Veranstaltung im Rahmen des Neunburger Kunstherbstes 2019 begrüßte Peter Wunder als Vorsitzender des Kunstvereins Unverdorben e. V. die Gäste im profanierten Sakralbau. Mit dem „Urschrei der Menschheit“, geblasen auf zwei Gießkannen, bewegten sich die beiden Protagonisten zum Auftakt von der Empore in das Kirchenschiff hinunter. „Die Entwicklung von Lauten, Wörtern und Sätzen, also die Sprache, mit der wir uns verständigen, steht im Mittelpunkt des Abends“, war die Ansage der beiden. Mit dem „Wessobrunner Gebet“, das auf Althochdeutsch vorgetragen und in die heutige Sprache übersetzt wurde, begann das Programm, das man als neuartiges Hörerlebnis, als Experiment bezeichnen könnte. 400 Jahre später ging es mit Mittelhochdeutsch und Walther von der Vogelweide sowie Wolfram von Eschenbach weiter.
Die einfallsreiche und abwechslungsreiche Art, wie die beiden hauptberuflich als Lehrer in Bogen und Burglengenfeld tätigen Akteure ihre Texte vortrugen, ließ keine Langeweile aufkommen. Atemlose Stille und Begeisterung wechselten sich ab, wenn zwischen untermalenden Geräuschen, sanften Flötenklängen und tosendem Trommelwirbel gelebte Poesie auf die Bühne kam. So die Szene, als Ernst Jandls lautmalerischer Text „Schtzngrmm“ von Chwatal in schauspielerischer Gestik als Soldat mit Stahlhelm vorgetragen wurde. Oder „Belsazar“ von Heinrich Heine ein Gedicht mit tragischem Inhalt sowie „Die Mondnacht“ von Joseph von Eichendorff mit romantischen Zügen. Der schaurige Inhalt von „Der Knabe im Moor“ von Anette von Droste-Hülshoff stand im Gegensatz zu heiteren Texten von Christian Morgenstern und Heinz Erhard. So erlebten die Zuschauer aberwitzige Momente, groteske Interpretationen, komische Parodien, dramatische Wechselgespräche, dann wieder schaurige, gruselige und tiefgründige Szenen und somit eine Wechselbad der Gefühle. Und beim finalen „Erlkönig“ boten die beiden Akteure unterschiedliche Varianten an, wobei es bei Heinz Erhard heißt: „Der Knabe lebt, das Pferd ist tot“.