Im Gespräch mit Komponist Alexander Maria Wagner

Begegnung mit Publikum ist unverzichtbar!

KlassikEin Kammermusik-Konzert mit Werken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die Uraufführung eines zeitgenössischen Opus‘ – Suite aus der Operette „Café Ringelspiel“ für Violine und Klavier – sind am 2. Oktober d e r künstlerische Höhepunkt im achten Neunburger Kunstherbst. Kurz davor beantwortete Komponist und Pianist ALEXANDER MARIA WAGNER im Beisein seiner Partnerin IOANA POPESCU (Violine) Fragen zu seinem aktuellen Schaffen und zur allgemeinen Situation des Kulturbetriebs in Zeiten der Pandemie.

Aus aktuellem Anlass diese Fragen vorweg: Wie geht’s Ihnen gesundheitlich, wo wurden Sie erstmals mit der Pandemie konfrontiert, wie kamen Sie bisher durch die Corona-Krise?

Danke, es geht uns gut! Ioana Popescu und ich bereiteten uns in London auf unsere Tournee vor und flogen rechtzeitig vor der Grenzschließung nach Rumänien. Dort hatten wir noch eine schöne Woche, fuhren mit dem Zug zu den Konzerten vom Schwarzen Meer über Bukarest bis nach Transsylvanien. Wir genossen die Idylle und wussten nichts davon, wie die Welt sich vor Corona verschließt. Der Lockdown machte dann den Rückflug nach England unmöglich.

Vielen Klassikfans bleibt Ihr Neunburger Debüt 2018 – als Solist im 1. Klavierkonzert von Tschaikowsky – unvergesslich. Welche Eindrücke sind bei Ihnen noch präsent?

Die Tschaikowsky-Nacht im Kunstherbst vor zwei Jahren bleibt mir in bester Erinnerung, vor allem der herzliche Beifall des einheimischen Publikums! Um so mehr habe ich mich darauf gefreut, wie ursprünglich geplant in diesem Jahr das große Klavierkonzert Nr. 1 von Johannes Brahms in der Schwarzachtalhalle zu spielen. Corona hat’s leider verhindert, doch das Konzert sollte, falls möglich, unbedingt nachgeholt werden.

Mehr noch als Pianist haben Sie als Komponist in der Musikwelt reüssiert. Mit zwei Sinfonien für großes Orchester sind Sie in neue Klangwelten vorgestoßen. Jetzt überraschen Sie als Komponist einer Operette namens „Café Ringelspiel“: Wie kam es dazu?

Dieses Werk ist gemeinsam mit meinem Komponistenkollegen Lukas Metzenbauer entstanden, der auch die steirische Harmonika spielt. Es gibt in diesem Stück eine Querverbindung zwischen Neuer Musik und folkloristischen Tänzen. So wie auch die Handlung eine merkwürdige Verbindung zwischen „Wiener Kaffeehauswelt“ und „Unterwelt“ herstellt. An der Schnittstelle ist das Ringelspiel (österreichischer Ausdruck für Karussell). Es geht in dem Stück um die Frage, wie man dem Sterben entkommen kann.

Metzenbauer arbeitet beim „Café Ringelspiel“-Projekt weiter mit. Wie kann man sich „Teamwork“ beim Entstehungsprozess einer Operette vorstellen?

Figuren und Handlung, Text und Musik, alles ist von uns beiden frei erfunden worden. Das Ganze ist seit zwei Jahren in Arbeit. Lukas liefert besonders für die folkloristische Komponente dieses Werkes einen bedeutsamen Beitrag.

Kann man sagen: Corona ist schuld daran, dass der Neunburger Kunstherbst 2020 eine Uraufführung erlebt?

Foto: Maria Siebenhaar

Foto: Maria Siebenhaar

Die Suite aus „Café Ringelspiel“ ist ein Extrakt, rund 25 Minuten Spielmusik aus der dreistündigen Operette, eine Abfolge aus Arien, Duetten und Zwischenspielen. Besonders die Tänze, darunter Mazurka, Polka, Walzer und Tango sind gut für ein Instrumentalduo Geige/Klavier geeignet. Ioana hat das große Verdienst, dass dieses Stück nicht nur schnell arrangiert, sondern auch violinistisch angereichert worden ist. Es stimmt, die Suite ist eigens für den 2. Oktober entstanden, nachdem der Veranstalter nach Absage der großen Neunburger Klassik-Gala nach einem „Ersatzprogramm“ suchte. Übrigens: Ioana und ich werden diese Suite eine Woche später im Tonstudio für das Rumänische Kulturinstitut in New York aufnehmen und sie 2021 dort auch aufführen.

Die Corona-Regeln erzwangen ein Umdisponieren vom großen Orchesterkonzert in Richtung Kammermusik-Format. Janáček, Enescu und Bartók stehen jetzt auf dem Programm. Warum darf das Publikum auf diese Werke gespannt sein?

Weil alle drei Komponisten eines vereint: der starke folkloristische Einfluss auf ihr eigenes Schaffen. Janacek, Enescu und Bartok mit ihren volksmusikalischen Wurzeln sind Pioniere der modernen Kunstmusik und haben ihren originären Kompositionsstil entwickelt. Enescu hat zum Beispiel an die „Fiddlertradition“ angeknüpft. Aber auch die Wiener Operette verwendet alte, folkloristische Elemente. Das verbindet das Programm am 2. Oktober – eine Reise durch Musiklandschaften in Rumänien, Tschechien, Ungarn, Österreich und Bayern.
So eröffnet dieser außergewöhnliche Kammermusikabend in Neunburg eine reizvolle kulturelle Ost-West-Perspektive.

Corona hat den gesamten Kulturbetrieb in eine existenzielle Krise gestürzt. Woraus schöpfen Sie Zuversicht, dass die Kunst alle Rückschläge überwinden kann?

Die Lage wird sich wieder stabilisieren. Es bleibt mir jedoch ein zentrales Anliegen: Viele Künstler glauben, sich vom Konzertleben verabschieden zu müssen, indem sie ihre Arbeit Livestreams und Onelinediensten zur Verfügung stellen. Das kann aber nur Übergangslösung in einer Notlage sein. Es muss das Bewusstsein wiederkehren, dass wir Konzerte für reale Begegnungen mit dem Publikum brauchen. Deswegen ist dieser Kammermusik-Abend auch eine schöne Geste: Wir erinnern uns, wo wir vor einem halben Jahr stehen geblieben sind, als uns Corona aufhielt – und freuen uns sehr, jetzt weitermachen zu können.
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OLYMPUS DIGITAL CAMERADas Interview führte Redakteur a. D. KARL STUMPFI, 2. Vorsitzender des Kunstvereins Unverdorben e. V., Programm-Koordinator des Neunburger Kunstherbstes und Klassik-Beauftragter der Stadt Neunburg vorm Wald. PLKH2020
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RADIO SALZBURG: Interview mit Alexander Maria Wagner
https://radiothek.orf.at/sbg/20201014/SAV/1602668303000
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