Konzert endet in einem „Taumel der Ekstase“, aber:

Es beginnt mit vier leisen Paukenschlägen…

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Zur „Nachfeier“ des 250. Geburtstags Ludwig van Beethovens am 2. Oktober bringen die Königgrätzer Philharmoniker zwei Werke mit, die im reichhaltigen Schaffen des Meisters sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal tragen. Das Violinkonzert, Opus 61, blieb die einzige Auseinandersetzung Beethovens mit dieser Kategorie orchestraler Musik – und gilt bis heute als edelstes und bedeutendstes Werk seiner Gattung. Rätselhaft beginnt es mit vier pulsierenden, leisen Paukenschlägen, bevor in den Holzbläsern eine choralartige Melodie einsetzt. Und die siebte Symphonie, Opus 92, wird von einem alles beherrschenden Element geprägt – dem Rhythmus! Sie sei, wie es Richard Wagner formulierte, die „Apotheose des Tanzes“. Nachfolgend ein kurzer Abriss der Entstehungsgeschichte und Werkanalyse dieser beiden Beethoven-Meisterstücke.

GEIGE UND ORCHESTER IM DIALOG

Sein einziges Violinkonzert komponierte Beethoven in wenigen Wochen zwischen November und Dezember 1806. Auf dem Höhepunkt seiner gestalterischen Kraft waren zuvor die vierte Symphonie, das vierte Klavierkonzert, die Sonate „Appassionata“ und das Tripelkonzert entstanden. Als „Vorstudien“ kann man die beiden 1802/03 geschriebenen Romanzen für Violine und Orchester betrachten. Der Pianist Beethoven hatte sich intensiv in den Charakter des Streichinstrumentes eingefühlt. Er spürte genau auch den Gegensatz eines Geigenkonzertes zu dem eines Konzertes für Klavier und Orchester. Hier bleibt das Tasteninstrument aufgrund seines natürlichen Klanges selbständig – es tritt dem von Streichern und Bläsern gebildeten Orchesterklang kontrastierend gegenüber. Die Geige hingegen steht von Natur aus dem Orchester näher. Sie gelangt weniger in einen konzertierenden Wettbewerb mit ihm als zu einem gemeinsam geführten Dialog. Das Solo-Instrument ist in den sinfonischen Verlauf des Ganzen völlig eingebunden. Diese organische Struktur verlangt vom Solisten, dass er weit über Technik und individuellen Ausdruck hinaus in die Form, die Substanz, den geistigen Gehalt des Werkes einzudringen vermag. Gelingt dies, dann strahlen Größe und Tiefe dieses Violinkonzertes auf die seiner würdigen Interpreten zurück.
Der erste Satz (Allegro ma non troppo) beginnt mit dem besagten rhythmischen Paukenmotiv, dem ein kantables Holzbläsermotiv folgt. Etwas Mysteriöses haftet der gesamten Orchestereinleitung an: mit ihrem An- und Abschwellen zwischen dramatischen Ausbrüchen und lyrischen Klängen erzeugt sie eine erwartungvolle Spannung vor dem ersten Soloeinsatz der Violine. Voller Eleganz und Anmut schwingt sie sich zu manchem Höhenflug empor. Die Möglichkeit, Virtuosität unter Beweis zu stellen, besteht insbesondere bei den Kadenzen, also jenen solistischen Improvisationen gegen Ende eines Satzes. Vom Komponisten sind keine Kadenzen zu seinem Violinkonzert überliefert. Nur für eine spätere Fassung als Klavierkonzert, Opus 61b, hat Beethoven Kadenzen geschrieben. Bei vielen bekannten Einspielungen auf Tonträgern hört man an dieser Stelle von den jeweiligen Interpreten ausgewählte Kadenzen, zum Beispiel die des berühmten Geigenvirtuosen Fritz Kreisler.
Bei der Neunburger Aufführung des Beethoven-Violinkonzerts werden übrigens sehr „moderne“ Geigenklänge die Partitur infiltrieren. Denn Solist Milan Pal’a verwendet in den ersten beiden Sätzen zeitgenössische Kadenzen des französischen Komponisten Jean Guillou und im dritten Satz eine eigene „Pal’a-Kadenz“!
Im zweiten Satz (Larghetto) beweist das Solo-Instrument mit weit gespannten Bögen abermals ihre lyrisch-melodischen Fähigkeiten. Der gesamte langsame Mittelsatz verströmt zarten, romantischen Duft. Die Melodie wird zuerst von den Streichern, später den Hörnern und Klarinetten vorgetragen, anmutig umspielt von der Solovioline. Eine Kadenz leitet unvermittelt zum dritten Satz (Rondo) über. Die Violine bringt zweimal das nach Art der Jagdmusiken rhythmisierte Thema, das dann vom ganzen Orchester jubelnd aufgegriffen und wiederholt wird. Dieses finale Rondo präsentiert sich als das glanzvolle Schlussstück und die Krönung des Konzerts: heiter, fast ausgelassen fröhlich in der Stimmung, farbig und brillant in der Orchesterbehandlung und besonders des Solo-Instruments, das in spielerischen Läufen glitzernd, das Violinkonzert Opus 61 zu einem temperamentvoll-strahlenden Abschluss führt.
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Milan Pal’a spielt Beethovens Violinkonzert (1.Satz) – Link zu youtube

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Die Uraufführung von Beethovens Symphonie Nr. 7 A-Dur fand am 8. Dezember 1813 statt – sechs Wochen nach der Volkerschlacht von Leipzig, die Napoleons Untergang einleitete. Im Gegensatz zur Symphonie Nr. 6 „Pastorale“ verfolgt Opus 92 keine programmatische Absicht, obwohl man darin Anspielungen auf politische Ereignisse heraushören könnte: Kollektives Gefühl eines gemeinsam errungenen Sieges, als ob die ganze Menschheit in Bewegung gerate und vor Freude miteinander zu tanzen beginne. Es kristallisiert sich ein punktierter und damit tänzerischer Rhythmus heraus, der nicht nur den gesamten ersten Satz prägen, sondern auch Keimzelle aller weiteren Motive der ganzen Sinfonie sein wird. Nie vorher oder nachher hat Beethoven eine Musik geschrieben, die so ausschließlich von einem prägnanten, mit geringfügigen Abwandlungen unablässig wiederholten rhythmischen Grundmotiv beherrscht wird.
Den zweiten Satz könnte man als Pavane oder einen anderen Schreittanz aus alten Zeiten empfinden. Nach einem fahlen a-moll-Akkord setzt geheimnisvoll in den Bässen das Allegretto ein. In allmählichem Crescendo erhebt sich der Hauptteil dieses geballten, in der Stimmung höchst intensiven Satzes. Das Schreiten steigert sich im strahlenden Glanz des vollen Orchesters, um dann wieder in die Anfangstimmung abzugleiten. Dann folgt eine zarte Dur-Melodie wie ein Intermezzo. Diese Idylle wird aber hart unterbrochen. Das erste Thema, nunmehr herb und kämpferisch, beherrscht den weiteren Verlauf des Satzes, der wie begonnen mit einem geheimnisvollen Bläserakkord verklingt. Auf einen ähnlichen Kontrast ist auch der dritte Satz (Presto) aufgebaut: Neben dem sprühend lebhaften, wirbelnden Scherzo steht die besinnliche Ruhe der Trio-Melodie (die angeblich auf ein österreichisches Wallfahrtslied zurückgehen soll). Der Schlusssatz (Allegro con brio) trumpft vital auf, bringt ein schmetterndes Nebenthema und ist von einer überschäumenden Lebensfreude getragen. Das Finale erreicht in seiner fulminanten Schlusssteigerung einen Taumel der Ekstase. Und wieder tritt der Rhythmus entfesselt in Aktion und entfacht einen wahren Wirbelsturm von mitreissender Tanzbewegung. Beethoven-Biograf Walter Rietzler hat die Siebte einen „Sieg der Symphonie über die Alleinherrschaft des Rhythmus“ genannt.
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Symphonie Nr. 7 A-Dur, 3. Satz (Presto) – Link zu youtube

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°Es gibt noch TICKETS für die Beethoven-Nacht am 2. Oktober, 20 Uhr, in der Schwarzachtalhalle mit den Königgrätzer Philharmonikern unter Leitung von Andreas Sebastian Weiser und Solist Milan Pal’a (Violine) bei den Neunburger Stadtwerken: Telefon (09672) 9208514 oder eMail: schwarzachtalhalle@stadtwerke-neunburg.de ES GILT DIE 3G-REGEL!LogoKH

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