Russin und Ukrainer im multimedialen TrommelfeuerEine Frage bleibt ohne Antwort: Warum Krieg?
Die Theatermacherin Katya Ladynskaya stammt aus St. Petersburg und lebt seit rund 15 Jahren in Regensburg. Im März 2022, wenige Wochen nach dem Überfall auf die Ukraine, gründete sie eine Friedensinitiative, in der sie mit anderen oppositionellen Russen und Ukrainerinnen gegen den Krieg kämpft. Ihr Kompagnon, der Schauspieler Konstantin Skiba, stammt aus dem ostukrainischen Donbas und ist mit Kriegsbeginn hierher geflüchtet. Um ein aufrüttelndes Zeichen gegen die Kriegskatastrophe in ihrer Heimat zu setzen, verbündeten sich die beiden politisch engagierten Jungkünstler. Ende Juli führten die Petersburgerin und der Mann aus dem Donbas die von Ladynskaya im Auftrag der Evangelischen Erwachsenenbildung konzipierte Performance in der Regensburger Neupfarrkirche zu einem durchschlagenden Erfolg: Beeindruckt, begeistert sowohl Publikum als auch Kritiker. Im Zuge ihrer Bayerntournee holte Pfarrer Gerhard Beck die spektakuläre Produktion nach Neunburg vorm Wald. Dort wird am vergangenen Sonntag einmal mehr nur ein handverlesener Kreis von Kulturinteressierten Augen- und Ohrenzeuge eines Abends, der lange noch nachhallen dürfte.
Denn in der Versöhnungskirche werden die beiden Künstler in ihren weißen T-Shirts aufeinander schießen. Mit Spielzeugpistolen. Als wäre die rund 45 Minuten dauernde Performance ein Paintball-Match oder Gotcha. Jetzt blutverschmiert, begeben sich die Hauptakteure auf Spurensuche bei russischen Geistesgrößen, die sich mit Verbreitung imperialistischer Ideologien hervorgetan haben. Darunter der russische Literaturnobelpreisträger Joseph Brodsky. Sein 1991 während der Selbstauflösung der Sowjetunion zu Papier gebrachtes Gedicht „Die Unabhängigkeit der Ukraine“ stellt eben diese in Frage. Schon 150 Jahre früher zog der Dichter Alexander Puschkin gegen die vermeintlichen „Verleumder Russlands“ zu Felde. Gegenüber gestellt werden Zitate aus Werken von Alexander Solschenizyn und Leo Tolstoi – dessen Romantitel „Krieg und Frieden“ Ladynskayas Performance den Namen lieh. Schließlich nimmt sich die Theatermacherin auch noch die Haager Landkriegsordnung vor, zerreißt diese förmlich in der Luft und lässt einzelne Paragrafenblätter von der Kirchenempore herab regnen.
So endet diese an Assoziationen reiche und bildstarke Theater-Dreiviertelstunde mit der Eingangsfrage „Warum Krieg?“ – und mündet in ein kurzes Publikumsgespräch mit den Akteuren. Die eine schlüssige Antwort bekommen die Fragesteller aus Russland und der Ukraine nach diesem bemerkenswert intensiven Neunburger Kunstherbst-Event nicht. Vielleicht hätte sie der „Pessimist“ Arthur Schopenhauer geben können: „Der Frieden ist ein Meisterwerk der Vernunft“