Mit „Brenna tuats guad“ den Gästen gehörig eingeheiztDie Vier Unverdorbenen auf Österreich-Trip
H.C. Artmann verfasste Lautgedichte, die sich dadurch kennzeichnen, dass sie jeglichen Grammatik- und Sinnanspruch aufgeben. 1958 erschien sein Gedichtband „mid ana schwoazzn tintn“, mit dem er dem Genre des Dialektgedichts zum Durchbruch verhalf. Artmanns Bekenntnis zu seiner Heimat sei aber nichts anderes als die Augen zwinkernde Schilderung einer Verzwergung: Von der einstigen Weltmacht K. u. K. Monarchie zum Mikrokosmos, auch Alpenrepublik genannt.
Josef Weinheber wurde 1935 durch seine Gedichtsammlung Wien wörtlich bekannt und populär. Es sind lyrische Milieu- und Charakterstudien, die teilweise im Wiener Dialekt geschrieben sind. Beeinflusst vom eminenten Sprachgeist Nestroys, der ihm durch Karl Kraus persönlich vermittelt wurde. Aus Weinhebers Feder rezitierte Karl Stumpfi ein kurzes Wiener-Dialekt-Gedicht, „für das man in Rest-Deutschland eigentlich einen Simultan-Dolmetscher benötigte oder ein durchlaufendes Sprachband“. Der Titel im O-Ton: „War ned Wean“, soll heißen „Es wäre nicht Wien…“
Nach den literarischen Wiener Eigengewächsen Artmann und Weinheber las Stumpfi über die Außenansicht eines Wahl-Wieners: Dirk Stermann. Der aus Duisburg stammende Autor und Kabarettist wohnt und arbeitet seit 1986 in der alten Kaiserstadt. Mit seiner Glossensammlung „Eier“ landete er 2011 einen Bestseller. Darin enthalten auch eine Satire, die den österreichischen „Tag der rot-weiß-roten Fahne“ 26. Oktober aufs Korn nimmt. Nach dem modernen Wiener Lied „Heut bin i wieder fett wie a Radierer“ des viel zu früh verstorbenen Liedermachers Georg Danzer stellte der Rezitator mit Anton Kuh „einen von der ersten Garde der Wiener Kaffeehaus-Literaten vor“. Er verfasste brillante Essays und Erzählungen. Berühmt wurde er aber durch seine Stegreif-Reden, die vom Publikum regelrecht gestürmt wurden. Tucholsky nannte ihn deshalb „Sprechsteller“. Mit zwei repräsentativen Texten Anton Kuhs startete Karl Stumpfi eine österreichische Zeitreise: Beginnend mit dem Jahreswechsel 1913/14 noch in der KuK Monarchie („Neujahrsrede eines Betrunkenen“), über die Erste Republik Ende der 20er-Jahre („Der Anschluss“) bis zum Jahr 1938 („Die Hundekarte“ von Herzmanovsky-Orlando). Atmosphärisch treffend untermalt wurde dies durch die nächste Musikbeiträge „Mei Naserl is so rot, weil i so blau bin“ /“Ana hod immer des Bummerl“.
Kurz vor der Pause wurde laut Stumpfi „der Wiener Tramway-Wagen abgehängt und stattdessen ein Bayern-Bockerl unter Dampf gesetzt, von dem wir uns in die lokale Tagespolitik hinein ziehen lassen“. Jetzt war Jürgen Zach mit seinen schon sehnlich erwarteten Neunburger Gstanzln, anno 2023, am Zuge. Mit beißendem Sarkasmus ausgesungen wurden von ihm zum Beispiel örtliche Aufreger wie „Kreisverkehr an der Duscherkreuzung“ oder „Rennen ums schnelle Internet“, aber auch das „Wildpinkeln“, die „Genderitis“ und die „Kleber-Aktivisten“.
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„Wei neulich Hollywood im Rathaus ograoufa hot, hot’s n’Burgermoaster ganz schei g’rissn. Sie wolln für a Neuverfilmung vom „Lied vom Tod“ d’Hauptstraß‘ als neue Kulissn. Warum’s daou aaf Neunburg kumma, hot da söl nacha gfragt. No, weil eitz aa no de letzte Oase versiegt, wenn da Gänswirt zauou macht!“ (Gstanzl-Sänger Jürgen Zach über das Wirtshaussterben in der Neunburger Altstadt)
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Nach dem musikalisch gelungenen Herbert-Pixner-Cover „Alps“ begann die zweite Halbzeit des Blauen Montags literarisch mit einer gallenbitteren Satire auf den österreichischen Kulturbetrieb. „Ahnt das Publikum eigentlich, wie reich die Kulturnation ist und wie arm die Künstler sind?“, fragt der Autor zuletzt provokant. Nach Rainhard Fendrichs „Tango Korrupti“ prägten Texte einer österreichischen Kabarett-Legende den Abschluss des Blauen Montags: Helmut Qualtinger (1928 – 1986) hatte in den Fünfziger Jahre gemeinsam mit Carl Merz, Louise Martini, Georg Kreisler und Gerhard Bronner jene Institution installiert, welche das Wiener Nachkriegskabarett wesentlich prägte. Mit einer Truppe, die sich nie einen eigenen Namen gab, sondern immer unter dem Titel des aktuellen Programms auftrat: „Blattl vorm Mund“, „Glasl vorm Aug“ oder „Dachl überm Kopf“. Nach Auflösung dieser Gruppe schrieb er gemeinsam mit Carl Merz satirische Texte wie „Der Herr Karl“, die Travnicek-Dialoge und auch die von Karl Stumpfi vorgetragene Exkursion durch die rot-weiß-rote Politologie. Das Wolfgang-Ambros-Evergreen „Die Blume vom Gemeindebau“, von den Unverdorbenen Musikanten neu aufbereitet, begleitete den Rezitator und die Zuhörerschaft zur nächsten Wiener Episode, Helmut Qualtingers „Gemeindebau, um vier Uhr früh“. In das Wien der Nachkriegsjahre zurückversetzt fühlten sich die Blaue-Montags-Gäste, als die Filmmusik „Der dritte Mann“ von Anton Karas in der Unverdorbenen-Fassung erklang. „Kriminell“ ging’s auch im Qualtinger-Text „Unternehmen Kornmandl“ zu, wenn die vergebliche Jagd der österreichischen Gendarmerie nach einem Sexualmörder persifliert wird.
Nach dem lautstarken Schlussapplaus des Publikums ergriff der 1. Vorsitzende des Kunstvereins Peter Wunder nochmals das Wort, dankte für den guten Besuch und den ein weiteres Mal voll überzeugenden Protagonisten des Kleinkunst-Ensembles „Die Vier Unverdorbenen“, die ein Weißwein-Präsent ausgehändigt bekamen. Den Extra-Nachschlag – musikalisch mit dem STS-Cover „Irgendwann bleib i dann dort“ – vervollständigte Karl Stumpfi mit einer der schillerndsten Figuren der gegenwärtigen Wiener Kabarett-Szene: Autor und Schauspieler Michael Niavarani ist als Chef des Kabaretts „Simpl“ auch Nachlassverwalter der großen Wiener Kaberett-Ikonen Fritz Grünbaum und Karl Farkas. Der absolute Schlussakkord eines rundum ins Schwarze treffenden Blauen Montags kam mit dem „Sperrstunden-Blues“ von den Unverdorbenen Musikanten.
DRITTE AUFFÜHRUNG JETZT IN PLANUNG!
Wer dieses musikalische und literarische Austria-Spektakel nicht „live“ miterlebt hat, kann dies aber nachholen. Aufgrund der großen Nachfrage war bereits eine zweite Vorstellung für Montag, 15. Januar, 19 Uhr, beim „Sporrer“ angesetzt worden. Nachdem auch die Wiederholung bereits restlos ausgebucht ist, planen die Vier Unverdorbenen eine dritte Aufführung ihrer Musikalischen Lesung. Termin und Lokal stehen noch nicht fest, doch Warteliste-Anmeldungen von Interessierten an den Neunburger Kunstverein sind ab sofort möglich unter E-Mail k.stumpfi@t-online.de!
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MEDIEN-ECHO
Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung, Ausgabe SAD v. 24. November 2023 als jpg-Datei:
Bericht in der Zeitung „Der Neue Tag“, Ausgabe SAD, v. 23. November 2023 als jpg-Datei:
Vorschau im Internetportal onetz/Oberpfälzer Medienhaus als jpg-Datei: