Der Bayerische Defiliermarsch in der Hot-Dogs-Version war ein passender Einstieg in das gut zweistündige Programm und seinem Mix aus musikalischen „Ohrwürmern“ und zum Schmunzeln, sowie zum Nachdenken anregende literarische Texten. In seinen Grußworten bemerkte 1. Vorsitzender Peter Wunder, der Kunstverein Unverdorben wäre sehr froh über einen vergleichbar guten Publikumszuspruch bei allen Neunburger Kunstherbst-Veranstaltungen. Rezitator Karl Stumpfi knüpfte an den Haindling-Oldie „Bayern, des san mia“ unmittelbar an und kontakarierte den Appell „Seid’s freundlich!“: Wenn die bayerische Sprache für etwas gut sei, dann zum Fluchen! Denn während Hochdeutsch eher phantasielos daher meckert, ist der Bairische Schimpfkanon um einiges kunstvoller, gefühliger, kreativer und auch unterhaltsamer. Wie facettenreich bairische Beleidigungskultur sein kann, bestätige einer ihrer Großmeister. Von Gerhard Polt (82) folgte dessen Episode „Der Depp“.
„Es freut sich’s Herz und das Gemüt, wo die Blume des Blödsinns blüht.“ Dieser Lehrsatz stamme von Karl Valentin, einem bayrischen Komiker, Volkssänger, Autor und Filmproduzenten – und er beeinflusste mit seinem Humor zahlreiche andere Künstler, darunter Brecht, Beckett und Loriot. Die Vier Unverdorbenen hätten den Blauen Montag im 12. Neunburger Kunstherbst POLTerabend, VALENTINstag getauft, „denn es es treffen sich bei uns der bajuwarische Ur-Komiker Karl Valentin mit dem weiß-blauen Kabarett-Urgestein Gerhard Polt. Der Eine Ahnherr, der Andere Nachlassverwalter bodenständig-geerdeten und zugleich hintergründig-skurrilen Humors“.
In seinen Rollen und Monologen spiele Polt oft den engstirnigen und wenig reflektierenden Bürger, der mit großer Selbstverständlichkeit seine Meinung kundtut und sich hierbei allen gängigen Klischees bedient. Als repräsentative Beispiele las Karl Stumpfi aus „Der Europäer“, „Costa quanta“ und „Monolog mit Schliwowitz“. Das Unverdorben-Trio Zach, Götze & Schöberl lieferten dazu bayerische Chansons wie „Heit schaun de Madl wia Äpfel aus“ von Konstantin Wecker und den Ringsgwandl-Titel „Sitz de her“.
Der Wortakrobat Karl Valentin (1882 – 1948) nimmt sich die Freiheit, den Sinn der Worte zu verdrehen und mit ihnen zu spielen. Und dieses Spiel mit den Worten lässt einerseits Humor aufkommen und andererseits entstehen dadurch neue Blickwinkel auf die Sicht der Welt. Dabei geht es nicht nur um einen „schrägen Blödsinn“! Wer genauer hinhört, erkennt in den oftmals scheinbar ins Absurde abdriftenden Texten einen tieferen Hintersinn. Der „Philosoph der kleinen Leute“, wie Karl Valentin auch genannt wird, nähert sich zwischenmenschlichen Problemen mit der Kraft der Komik. Dies belegte Karl Stumpfi mit dem Vortrag der Valentin-Texte „Blödsinn-Verse“, „Der Radfahrer“ und „Beim Arzt“. Valentin war als künstlerisches Multi-Talent auch als Komponist kreativ und daher auch in der Play-List des Abends mit „Das Lied vom Sonntag“ vertreten. Nach der Pause eröffnete eine weitere bayerische Kult-Gruppe, die Biermösl-Blosn, mit „Welcome to Bavaria“ den zweiten Teil dieses unterhaltsamen Abends. Nachdem die Gebrüder Well in ihrem Lied Weißwürst, Leberkas und Obatzn fett aufgetragen hatten, setzte sich Stumpfi alias Karl Valentin eine Kochhaube auf und diktierte das Rezept eines „Russischen Salats“. Nicht ohne den vorherigen, warnenden Hinweis an die Zuhörerschaft: „Schreibt’s bitte nicht mit, denn vom Nachkochen wird dringend abgeraten!“ Vom Münchner Edelkomiker und vom Kritiker Alfred Kerr so titulierten „Wortzerklauberer“ folgten noch das groteske Ehe-Drama „Streit mit schönen Worten“, eine knallharte Abrechnung in „Brief an meine Tochter Bertl“ und Karl Valentins (leider um einen Tag zu späten) Besuch der Olympischen Spiele in Berlin 1936.
Es ist nicht allein Gerhard Polts unvergleichliche Bühnenpräsenz, in der er seine Figuren scheinbar nur so dahinreden lässt. Dahinter verbergen sich fein ziselierte und facettenreiche Blicke auf die Menschen und unsere Welt. Es sind seine genauen Beobachtungen, sein Durchdringen unterschiedlichster Charaktere, die elliptischen Satzkonstruktionen, die exakte Wortwahl und sein wohlwollendes Interesse am Menschen, die Polts große Kunst ausmachen. Als weitere Beispiele dienten die Lesungen „Die Verhandlung“, „Winterfreuden“ und „Schöne Bescherung“. Musikalische Kommentare dazu waren, erneut von Haindling, der Titel „Spinn‘ i“ und „Ein Pferde hat vier Beiner“ als Hommage an den am 24. Juni 2024 verstorbenen Liedermacher Fredl Fesl. Als besonderes Anliegen angesichts der aktuellen Tagespolitik war es für die Vier Unverdorbenen, an diesem Blauen Montag ein Chanson von Werner Schmidbauer zu Gehör zu bringen: „Zeit der Deppen“.
Einen Schlusspunkt des offizielle Programms setzte ein nachdenklich stimmender Gerhard Polt aufgrund einer eindimensional gewordenen bayerischen Wirtshauskultur. „Viele Gemeinden haben überhaupt keine Gastwirtschaften mehr – und mit den Gastwirtschaften stirbt die Dorfgemeinschaft“, heißt es in seinem Nekrolog „Über das Wirtshaus“. Die nach einem tosenden Schlussbeifall zwangsläufig folgenden Zugaben eröffnete der „Königsjodler“, bei dem Akkordeonist Franz Schöberl auch seine Konzertflöte effektvoll einzusetzen wusste. Der im Saal anwesenden „Rotte von Schwarzkitteln in Gestalt von ehemaligen christsozialen Mandatsträgern“ widmete Rezitator Karl Stumpfi die ätzende Polt-Satire „Der CSU-Sammler“. Das letzte Wort hatte aber Karl Valentin und dessen Sprachwitz in „Die Geldentwertung“. Darauf taugte musikalisch nur noch als Rausschmeißer „Mia san a bayerische Band“ (Spider Murphy Gang). Wer den Blauen Montag im Neunburger Kunstherbst 24 versäumt hat, bekommt noch mindestens zwei Gelegenheiten zum Nachsitzen: Wiederholt wird das Programm „POLTerabend, VALENTINstag“ am 20. Januar, 19 Uhr, im Hotel-Gasthof Sporrer, Neunburg v. W., und am 4. April, 19 Uhr, im Kloster Ensdorf. Anmeldungen/Platzreservierungen beim Kunstverein Unverdorben unter Mail k.stumpfi@t-online.de oder Mobiltelefon 0171 4158745.
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INTERMEZZO MIT NEUNBURGER SCHNADAHÜPFLN von und mit Jürgen Zach (Auswahl)
Drunt unterm Klosterberg ham eitz de Edlweißboum a neis Domizil. Beim neuer Gendarmerie-Prachtbau faahlt zu Neuschwanstein niad vül.
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Unser Leichenhaus wird umbaut, wer stirbt, wird zum Lober affe gfoahrn. Die Toten kumma am Recyclinghof und werdn sofort neu geborn.
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Den Bau-Boom bei uns, den gibt’s wai eh und je. Aa de muslimische Gemeinde baut a neue Moschee. Abr a Minarett nebam Friedhof seng de Stadtväter-Innen niad grod gern. Na steigt halt da Muezzin aaf a größere Straßnlatern.
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Die grüne Suppe aus’m Stausee derf endlich überlaffa zu uns ins Tal. Dahint is na weg und mia hams überall. Na wird Eixndorf zum Ballermann und da Drexler Walter singt auf’m Tisch. O mei, reißts den Turm wieder weg und laiht’s es, wai ìs.
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Da Hussitnkraich fallt nächsts Joahr aus, des is aus’m Rathaus des Geheiß, de Kämpfer maissn hoam ge und da Burghof bleibt verwaist. Des waar doch a Modell für jedn Kraich af dera Welt. Koa Mensch maissat mehr sterbn, weil’s fehlt am liebn Geld.
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Mir san die Unverdorbenen Musikantn und sitzen mittn drinn. Überall, waou mir auftaucha, is des für d’Gsellschaft a Gwinn.
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