Karl-Kraus-Lesetheater beeindruckt die Zuhörer

Präsentation1

 

Im Rahmen der laufenden Kunstherbst-Themenwoche wurde am 17. Oktober, 19 Uhr, im Pfarrsaal St. Georg ein Stück Weltliteratur in neuartiger Form vorgestellt – und das Publikum war vom Karl-Kraus-Lesetheater „Die letzten Tage der Menschheit“ gleichermaßen beeindruckt wie begeistert!

„Außergewöhnlich“ und „einmalig“

„Ein außergewöhnlicher Abend, der zum Nachdenken anregt“, bilanzierte Stadtpfarrer Stefan Wagner unmittelbar nach der Vorstellung. Ehrenbürger Theo Männer hatte schon in der Pause seine Begeisterung kundgetan: „In Neunburg noch nicht dagewesen und einmalig!“ Anhaltend lautstarker Applaus der rund 80 Zuhörer bekräftigte am Freitagabend diese Einzelmeinungen über die szenische Lesung „Die letzten Tage der Menschheit“. In einer Co-Produktion der Pfarrei St. Josef und des Kunstvereins Unverdorben präsentierte ein Rezitatorenquartett ausgewählte Szenen und Dialoge aus dem Vorspiel und den ersten drei Akten dieses monumentalen Endzeitdramas des Wiener Satirikers Karl Kraus (1847 – 1936).

Dokumentarisches Theater

Der Verfasser selbst hielt das Stück mit über 200 Szenen für unaufführbar und deshalb „für ein Marstheater“ gedacht. In seinem Vorwort stellt er jedoch klar: „Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. Larven und Lemuren, die hier auftreten, tragen lebende Namen“. Seine Chronik des Ersten Weltkriegs mit dem Titel „Die letzten Tage der Menschheit“ handelt von einzelnen lokalen Begebenheiten im Hinterland und an der Front. Sie beginnt mit der Nachricht von der Ermordung des Thronfolgerpaares in Sarajevo und reicht bis zur Katastrophe des Zusammenbruchs, die in die eine Vision von der Vernichtung des Geistes als den wahren Weltuntergang mündet. Karl Kraus ist mit diesem Werk als Schöpfer des dokumentarischen Theaters und der Montagetechnik in die Dramenliteratur des 20. Jahrhunderts eingegangen.

„Neunburger Fassung“ erstellt

In einer eigens für die Neunburger Kunstherbst-Themenwoche erarbeiteten Fassung für Lesetheater wurden 25 Szenen ausgewählt und in zwei Leseblöcken im Pfarrheim dargeboten. Statt eines Programmheftes fanden die Besucher ein Faltblatt mit einem „Glossar“ vor, das typisch wienerische Begriffe wie Pallawatsch (Wirrwarr), Spompanadeln (Wichtigtuereien) oder Gustomenscherl (hübsche Mädchen) in deutsche Schriftsprache übersetzt. Die Lesepassagen wurden durch Liedvorträge (Gitarre & Gesang: Jürgen Zach) sowie Musikeinblendungen aus Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 5 sinnfällig ergänzt. Wolfgang Gräßl und Diana Mazurek besorgten die stimmungsreiche Lichtregie. Den diffizilen Dialog-Part „Der Nörgler und der Optimist im Gespräch“ bewältigten Ulrich Wabra und Wolfgang Süß in beeindruckender Manier, während in den Volksszenen Karl Stumpfi (u.a. als Zeitungsausrufer, Hofrat, oder KuK-General) sowie Wolfgang Huber (u. a. als Patriot, Berliner Schieber oder Kaiser Wilhelm II.) mit Wiener Dialekt bzw. preußischem Zungenschlag zuweilen auch für Gelächter in den Zuhörerreihen sorgten.

Beklemmende Schlussszene

Eher beklemmend dann die Schlussszene, wenn der „Nörgler“ (als Sprachrohr des Autors Karl Kraus) einen an Goethes Faust II angelehnten, ätzenden Nachruf auf den „letzten Wiener“ hält – ein Betrunkener, der mitten auf der Straße seine Notdurft verrichtet: „Das Sterben geht ihn einen Schmarren an, sein innerstes Bedürfnis muss er stillen. Es bleibt die Spur von seinen Erdentagen und dies ist der Weisheit letzter Schluss…“. Nach dem Schluss-Crescendo des Scherzo-Satzes aus Gustav Mahlers 5. Sinfonie ein kurzer Blackout, bevor Jürgen Zach mit dem Chanson „Die Antwort der Blumen“ den Karl-Kraus-Leseabend ausklingen ließ. In einem Nachwort bedankte sich Pfarrer Wagner bei allen Mitwirkenden des Lesetheaters mit dem Initiator Karl Stumpfi an der Spitze. Es freue ihn besonders, dass das Neunburger Orgelbauprojekt mit ins Boot genommen worden sei. Mitglieder des Orgelbauvereins bewirtete die Gäste mit erlesenem Rebensaft und leckeren Appetithappen.

Nachdem die Initatoren mit dieser Premiere voll punkten konnten, wird über eine Fortsetzung des Karl-Kraus-Lesetheaters (Akte 4, 5 und Epilog)  in den Reihen des Kunstvereins Unverdorben bereits nachgedacht. Voraussichtlich im Neunburger Kunstherbst 2016 stünde dann Teil 2 des Dramas „Die letzten Tage der Menschheit“ auf dem Programm…

Der Schüler Merores meldet sich...

Der Schüler Merores meldet sich…

Wolfgang Huber spricht den Kaiser Wilhelm II,

Wolfgang Huber spricht den Kaiser Wilhelm II.

Jürgen Zack (Gitarre & Gesang) trat mit drei Kriegsliedern auf.

Jürgen Zach (Gitarre & Gesang) trat mit drei Kriegsliedern auf.

Patrioten unter sich: "Die Russen und die Serben, die hauen wir in Scherben....."

Patrioten unter sich: „Die Russen und die Serben, die hauen wir in Scherben…..“

Getränkenachschub für die Pause...

Getränkenachschub für die Pause…

Der Nörgler (Ulrich Wabra, rechts) und der Optimist (Wolfgang Süß) im Gespräch.

Der Nörgler (Ulrich Wabra, rechts) und der Optimist (Wolfgang Süß) im Gespräch.

 

 

BILDERNACHLESE mit Fotos von Alfred Grassmann (NT)

PRESSE-SPIEGEL mit Berichten in der MZ und im NT:

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