Vor 100 Jahren starb der große Dirigent Hans Richter

„Ein wahrer Künstler und ein wahrer Freund“

Der weltberühmte Orchesterleiter Hans Richter starb am 5. Dezember 1916 in Bayreuth und wurde dort in einem Ehrengrab beigesetzt.

Der weltberühmte Orchesterleiter Hans Richter starb am 5. Dezember 1916 in Bayreuth und wurde dort in einem Ehrengrab beigesetzt. Foto: Denkmäler der Tonkunst Österreich

Urenkel Hans Richter schlug ebenfalls die Dirigentenlaufbahn ein und ist seit 2004 Chefdirigent der Smetana Philharmonie Prag - Partner des Neunburger Kunstvereins Unverdorben beim Kulturprojek "Töne & Farben ohne Grenzen 2016". Foto: Ralf Gohlke, MZ

Urenkel Hans Richter, geboren in Neunburg, schlug ebenfalls die Dirigentenlaufbahn ein und ist seit 2004 Chefdirigent der Smetana Philharmonie Prag – Partner des Neunburger Kunstvereins Unverdorben beim Kulturprojekt „Töne & Farben ohne Grenzen 2016“. Foto: Ralf Gohlke, MZ

VON KARL STUMPFI

„True artist and true friend“ – So charakterisierte Anfang des 20. Jahrhunderts der berühmte englische Komponist Sir Edward Elgar den aus Österreich-Ungarn stammenden Dirigenten Hans Richter – den ersten international agierenden Pult-Star überhaupt! Vor genau hundert Jahren ist der Maestro in der Wagnerstadt Bayreuth gestorben. „Musikalischer Erbe“ ist sein Urenkel Hans Richter, geb. in Neunburg vorm Wald, derzeit Chefdirigent der Smetana Philharmonie Prag.

Hans Richter wurde am 4. April 1843 in Raab/Györ als Sohn des dortigen Domkapellmeisters Anton Richter (1802-1854) und der Sängerin Josefine Czasensky (1822-1892) geboren. Die Familie des Vaters stammte aus Freudenthal in Schlesien, diejenige der Mutter aus Tabor in Böhmen. Von der Mutter erhielt er ab dem vierten Lebensjahr Klavierunterricht,  er wirkte auch bei Aufführungen des Domchores mit. Sein Debut als Pianist gab er in seiner Heimatstadt im Alter von zehn Jahren, spielte den Klavierpart in einem Klavierquintett von Johann Nepomuk Hummel.

Nach dem frühen Tod des Vaters 1854 kam Richter als k.k. Sängerknabe (Altist) in das Löwenburgische Konvikt nach Wien, wo er bis zu seinem Stimmbruch 1858 blieb. Ab 1858 studierte er am Wiener Konservatorium Horn bei Wilhelm Kleinecke, ferner Musiktheorie und Komposition bei Simon Sechter, Violine bei Carl Heissler, Orchesterstudien beim Direktor des Konservatoriums, Josef Hellmesberger, u. a. 1862-1866 war er Hornist am Theater vor dem Kärntnertor. 1866 erhielt er von Hofkapellmeister Heinrich Esser ein Befähigungszeugnis als Kapellmeister. Als Richard Wagner im gleichen Jahr von Esser einen Assistenten erbat, schickte dieser Richter zu Wagner nach Triebschen, um die Druckvorlage der Meistersinger-Partitur herzustellen (später folgte auch der Siegfried).

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URAUFFÜHRUNGEN, DIE HANS RICHTER DIRIGIERTE:

Richard Wagner: „Der Ring des Nibelungen“ (Rheingold/Walküre/Siegfried/Götterdämmerung; erste geschlossene Aufführung der Bühnentetralogie anlässlich der Einweihung des Festspielhauses Bayreuth 1876)

Johannes Brahms: Symphonie Nr. 2 D-Dur (1877) und Symphonie Nr. 3 F-Dur (1883), jeweils in Wien.

Anton Bruckner: Symphonie Nr. 1 c-moll (Wiener Fassung von 1891), Symphonie Nr. 3 d-moll (3. Fassung von 1890); Symphonie Nr. 4 Es-Dur „Romantische“ (1881) und Symphonie Nr. 8 c-moll (1892), jeweils in Wien.

Edward Elgar: Symphonie Nr. 1 As-Dur (Hans Richter gewidmet, Manchester 1908), die Enigma-Variationen (London 1899) und das Oratorium „The Dream of Gerontius“ (Birmingham 1900).

Antonin Dvorak: Symphonie Nr. 6 D-Dur (Hans Richter gewidmet, doch konnte dieses Werk 1880 aus Krankheitsgründen nicht wie geplant von Richter uraufgeführt werden).

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Daraus entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, so war Richter Trauzeuge bei der Hochzeit Wagners mit Cosima, und als Richter 1875 Marie von Szitányi heiratete, schenkte ihm Wagner die Partitur zum Rheingold und verfaßte ein Gedicht. Richter wurde auch Schüler Wagners, 1868 arbeitete er als Assistent und Chordirigent bei Einstudierung und Aufführung der Meistersinger in München. Dort wurde er noch selben Jahr zum königlichen Musikdirektor ernannt, demissionierte aber 1869, weil er sich weigerte, die gegen Wagners Willen angesetzte Uraufführung des Rheingold zu dirigieren, da dieses Werk noch zuwenig geprobt worden war. 1870 leitete er die Erstaufführung des Lohengrin in Brüssel und kehrte in der Folge als Sekretär Wagners nach Triebschen zurück.

1871 wurde er als Kapellmeister ans Nationaltheater in Budapest, 1875 als Nachfolger Otto Dessoffs an die Wiener Hofoper berufen. Daneben leitete er 1875-1898 die Philharmonischen Konzerte und 1884-1890 die der Gesellschaft der Musikfreunde, die ihn 1891 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte. 1877 wurde er Vizehofkapellmeister, vom 20. März  1893 bis 4. März 1900 war er erster Hofkapellmeister. Während dieser Zeit dirigierte Richter des öfteren Werke von Johann Sebastian Bach (Matthäuspassion, 1. vollständige Aufführung der h-moll-Messe und des Weihnachtsoratoriums) und Georg Friedrich Händel (Oratorium Saul). Auch die Missa solemnis von Beethoven und die Schöpfung von Haydn sowie das Deutsche Requiem von Brahms, das Stabat Mater von Antonín Dvořák und das Te Deum und Requiem von Franz Liszt wurden unter Richters Leitung aufgeführt.

1876 war Hans Richter Dirigent der ersten vollständigen Aufführung des Ringes des Nibelungen in Bayreuth. 1877 war er gemeinsam mit Wagner in England und entwickelte seither dort eine immer ausgedehntere Dirigententätigkeit. Der Erfolg manifestierte sich unter anderem in der Verleihung der Ehrendoktorate von Oxford und Manchester. Der einflussreiche Maestro Hans Richter hat sich neben seinen Wagner-Aufführungen auch besonders um die Verbreitung der Werke von Anton Bruckner, Johannes Brahms und Edward Elgar bemüht. Als das Geld für das Ausschreiben der Orchesterstimmen zur Uraufführung von Anton Bruckners 3. Symphonie fehlte, hatte Richter dies insgeheim schon aus eigener Tasche bezahlt.

Der Komponist und sein Interpret: Anton Bruckner applaudiert Dirigent Hans Richter. (Zeichnung: Dr. Otto Böhler, Archiv der Wiener Philharmoniker; Briefauszug: Richter ersucht Bösendorfer, seine Klaviere zu stimmen.

Der Komponist und sein Interpret: Anton Bruckner applaudiert Dirigent Hans Richter. (Zeichnung: Dr. Otto Böhler, Archiv der Wiener Philharmoniker; Briefauszug: Richter ersucht Bösendorfer, seine Klaviere zu stimmen.

1898 trat Richter, nachdem Gustav Mahler 1897 Dirigent der Wiener Hofoper geworden war, als Dirigent der philharmonischen Konzerte zurück (am 16. Dezember 1886 hatte er sein 100. Konzert mit diesem Orchester dirigiert) und zwei Jahre später, am 4. März 1900 legte Hans Richter nach einer Reorganisation der Hofmusikkapelle, die eigentlich das Ende der Institution im alten Sinn bedeutete, das Hofkapellmeisteramt nieder und ging zunächst nach Moskau, wo er Tschaikowskys Pathétique dirigierte. Im gleichen Jahr übersiedelte nach Manchester, wo er zunächst das Hallé-Orchester leitete und dann auch weitere prominente musikalische Aufgaben erhielt (London Symphony Orchestra, Covent Garden Opera). Richter wurde der erste echte, reisende Maestro, aber mit größtem Respekt vor den Schöpfern der dirigierten Werke. Er betrachtete es immer als eine Auszeichnung, die berühmten Werke dirigieren zu dürfen. Insgesamt dirigierte Richter mehr als 4500 Konzerte und Opernaufführungen. Daneben dirigierte er ständig in Bayreuth. Am 19. September 1912 fand Richters letztes öffentliches Auftreten als Dirigent statt. Er dirigierte in Bayreuth Wagners Meistersinger. Bayreuth wählte er auch zu seinem Ruhesitz (1913 wurde er Ehrenbürger der Stadt), starb dort am 5. Dezember 1916  – auf den Tag genau 125 Jahre nach W. A. Mozarts Tod – und fand in einem Ehrengrab seine letzte Ruhestätte.

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Nachruf auf den „Treuesten der Treuen“

„Auf dem gleichen Friedhof, dem Grabe Siegfried Wagners und Franz Liszts nahe, ruht ein Dritter, der mit der gleichen unlösbaren Verpflichtung zu dem Bündnis gehört: Hans Richter. Am 5. Dezember 1916 geht auch er in den Musiker-Himmel ein. Mit Recht nennt ihn Carl Gianicelli in seinem Gedenkaufsatz den „Treuesten der Treuen“. Traurig meldet Siegfried am 10. Dezember Franz Stassen den Tod: ‚Unser guter Richter ist nun auch fort. Seine lieben, blauen Augen und die gemütlichen Plauderstunden werden uns sehr fehlen.  Er hatte einen sehr schönen, sanften Tod‘. – Den Ausklang fand dieses Leben jedoch zwei Tage später: Der Trauerzug, der den Sarg zum Bahnhof geleitete  (die Einäscherung fand in Hof statt), wurde von schwarz-weiß-roten und weiß-blauen Fahnen überweht, eine Militärkapelle kam ihm, vom Festpielhügel her, mit klingendem Spiel entgegen, und über der Stadt lag die Festwiesenstimmung der ‚Meistersinger’….“ (Auszug aus der Siegfried-Wagner-Biografie „Der Sohn“ von Zdenko von Kraft)

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Im Jahr 1919 wurde in Wien-Döbling (19. Wiener Gemeindebezirk) die Hans-Richter-Gasse nach ihm benannt. Zur Wiederkehr seines 150. Geburtstags, 1993, wurde von den Wiener Philharmonikern eine Hans-Richter-Medaille aufgelegt, deren erster Träger der Star-Dirigent Sir Georg Solti (1912–1997) war.Von 1894 bis 1913 besaß Hans Richter eine Villa am Ebenwald in Niederösterreich, wo er sich von seinem viel beschäftigten Künstlerleben erholen konnte. Ihrem prominenten Bürger widmete die Gemeinde Kleinzell am Wochenende 3./4. Dezember eine besondere Erinnerung zum hundertsten Todestag. Musiker des Ensembles der Wiener Philharmoniker gestalteten ein Hans-Richter-Gedächtniskonzert. Der  kommunale Mehrzwecksaal wurde in „Hans Richter Saal“ umbenannt.

Die Verbindung des weltberühmten Maestros zur Pfalzgrafenstadt Neunburg vorm Wald war zunächst bar jeden musikalischen Hintergrunds.

Chefdirigent Hans Richter und Klassikbeauftragter Karl Stumpfi vor dem Neunburger Rathaus. Foto: R. Gohlke

Chefdirigent Hans Richter und Klassikbeauftragter Karl Stumpfi vor dem Neunburger Rathaus. Foto: R. Gohlke

In der Mitte der dreißiger Jahre kam ein Enkel des Dirigenten, er hieß ebenfalls Hans Richter, berufsbedingt in die Oberpfalz und leitete bis 1957  in Neunburg vorm Wald die Kreissparkasse bzw. die Vereinigte Sparkasse Neunburg-Roding. Am 24. Dezember 1950 wurde im Kreiskrankenhaus Sohn Hans geboren – er sollte in die Fußstapfen des großen Dirigenten Hans Richter treten. Der kehrte als Orchesterchef der Prager Smetana Philharmoniker 2012 in die Geburtsstadt zurück, um das Eröffnungskonzert zur Einweihung der neuen Schwarzachtalhalle zu leiten. Unter seiner Stabführung erklang am 14. Juli Friedrich Smetanas symphonischer Zyklus „Mein Vaterland“ (Ma vlast). Hieraus entwickelte sich eine weithin beachtete Zusammenarbeit mit Neunburger Kulturinstitutionen, welche 2016 in der Partnerschaft im Internationalen Kulturprojekt „Töne und Farben ohne Grenzen“ gipfelte. Am 5. Januar 2017 wird Hans Richter ein weiteres Mal am Pult stehen, wenn die Neujahrsgala in der Schwarzachtalhalle den Veranstaltungsreigen zum Stadtjubiläum „1000 Jahre Neunburg vorm Wald“ einläuten wird. Auf dem Programm stehen Werke von Gioacchino Rossini, Giacomo Puccini, Peter Ilitsch Tschaikowsky, Franz von Suppé, Franz Lehár sowie Johann Strauß Vater und Sohn. (Karten online unter www.okticket.de /Stichwort Neunburger Neujahrsgala).

 

Die österreichische Gemeinde Kleinzell widmete Richter ein Gedenkkonzert zum 100. Todestag. Foto: Krizanic-Fallmann, Niederösterreichische Nachrichten

Die österreichische Gemeinde Kleinzell widmete Hans Richter ein Gedenkkonzert zum 100. Todestag. Foto: Krizanic-Fallmann, Niederösterreichische Nachrichten

 

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