Blauer Montag mit Comeback der Vier Unverdorbenen

Viel Beifall für „Auf den Hund gekommen“

Im gut besuchten Sporrersaal präsentierten die Vier Unverdorbenen ihr neues Programm (v.li) Franz Schöberl (Akkordeon), Karl Stumpfi (Rezitation), Jürgen Zach (Bass/Gesang) und Klaus Götze (E-Gitarre). Foto: Roland Thäder, Agnes Jonas

Im gut besuchten Sporrersaal präsentierten die Vier Unverdorbenen ihr neues Programm (v.li) Franz Schöberl (Akkordeon), Karl Stumpfi (Rezitation), Jürgen Zach (Bass/Gesang) und Klaus Götze (E-Gitarre). Fotos: Roland Thäder, Agnes Jonas

Nach 20 Monaten Corona-Zwangspause endlich Rückkehr „auf die Bühne“: Die Vier Unverdorbenen, das Kleinkunst-Ensemble des Neunburger Kunstvereins, sind wieder zurück. Und es war das erklärte Bedürfnis des Quartetts, das neue literarisch-musikalische Programm mit dem Chanson „Gut wieder hier zu sein“ von Hannes Wader einzuleiten. Nach einem weiteren deutschen Liedermacher-Klassiker – Sommermorgen“ von Reinhard Mey, in der Version der Unverdorben-Hauscombo – sprach Rezitator Karl Stumpfi von „Musik, die wie Balsam auf unsere waidwunden Seelen wirkt“.
An einem Sommermorgen habe auch Thomas Mann, der große Romancier und Erzähler, sich zu einer Liebeserklärung aufgeschwungen – nämlich an Bauschan. Das ist sein kurzhaariger deutscher Hühnerhund. In „Herr und Hund“, Untertitel „Ein Idyll“ – erschienen im Kriegsjahr 1918 – schildert er die täglichen Spaziergänge in der Gegend seines Münchner Wohnhauses, beschreibt unnachahmlich das Benehmen seines Begleiters, seine Reaktionen auf die Eindrücke der Umwelt und das beredte Einverständnis mit seinem Herrn. Karl Stumpfi las aus der ersten Episode der Novelle. Auf den Hund gekommen sei auch der Satiriker Kurt Tucholsky. Zwischen 1914 und 1931 hat einer in einer Reihe von Prosatexten, Feuilletons und Gedichten ein eher problematisches Verhältnis zum Vierbeiner thematisiert und aufgearbeitet. Drei Beispiele vermittelte der Vorleser seiner Zuhörerschaft – zuerst das 1922 veröffentlichte Gedicht „Der kleine Hund an der Ecke“ und zwei Prosastücke, welche der Autor unter den Pseudonymen Peter Panter und Ignaz Wrobel herausbrachte: „Der Straßenkaiser“ (1927) und „Der Hund als Untergebener“ (1922). Es scheine wirklich so, folgert der Verfasser, als ob die meisten Menschen hierzulande einen Hund nur deshalb besäßen, um noch einen unter sich zu haben. O-Ton Tucholsky: „Nein, ich hasse den Hund nicht. Wohl aber eine bestimmte Gattung Mensch, die ihn behandelt wie ein Brigadekommandeur die unterstellte Formation, und die mit ihm herumwirtschaftet, weil auch er aus Deutschland ist“.
Umrahmt wurde dieser textliche Komplex von den drei Musikanten Jürgen Zach (Bass/Gesang), Klaus Götze (E-Gitarre) und Franz Schöberl (Akkordeon/Konzertflöte) mit einer Liederauswahl von beachtlicher Bandbreite: Wiener Schrammelmusik („Das Lied von der Hundetreue“) über einen Boarischen („Bauer, bind‘ den Pudel an“) bis Rock ’n Roll („Hound Dog“).
Der Vorleser beim Vortrag...

Der Vorleser beim Vortrag…

Nach der Reichshauptstadt Berlin der zwanziger Jahre verlagerte sich die Szenerie in den Freistaat Bayern – mit einem Stück „ganz normalen Wahnsinns“ der weiß-blauen Kabarettisten-Ikone Gerhard Polt („Hindemith“) und nach diesem „tierischen Telefongespräch“ eine Geschichte aus dem Bayerischen Dekameron. Oskar Maria Graf schildert hier in seiner ureigenen Art, wie ein Wachhund zur Urteilsfindung vor Gericht beiträgt und einen Zeugen des Meineids überführt.
Musikalisches Vorspiel zum zweiten Teil der Lesung war der L.O.V.E.-Foxtrott von Frank Sinatra, wie auch der Wolfgang-Ambros-Song „I versteh di ned“ und der „Comedian Harmonist“-Evergreen „Veronika, der Lenz ist da“ in den unverwechselbaren Fassungen der Unverdorben-Combo. Die aus altböhmischem Adel stammende Marie von Ebner-Eschenbach gilt mit ihren psychologisch einfühlsamen Erzählungen und Romanen als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftstellerinnen des späten 19. Jahrhunderts. Bis heute ihr populärstes Werk ist „Krambambuli“, die tragische Novelle um einen Jagdhund – eine Kurzfassung brachte Rezitator Stumpfi zu Gehör. In der Sparte „Satire“ ist ein 1984 erschienener Prosatext von Wolfgang Hildesheimer zu verorten: „Aus der Laufbahn meines Pudels Cassius“ thematisiert ein grundlegendes und tiefgreifendes Missverständnis zwischen Mensch und Hund. Nächste Station der Lesereise führte in die Donaumetropole Wien der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts – und zu einer weiteren Anekdote aus „Tante Jolesch oder der Untergang des Abendlandes in Anekdoten“, genüßlich erzählt von Friedrich Torberg. „Gogo, der bissige Boxer“ korrespondierte inhaltlich sehr zutreffend mit dem Max-Raabe-Cover „Mein Hund beißt jede schöne Frau ins Bein“.
Zum Ausklang des Blauen Montags avisierte der Vorleser „noch einen massiven Vulkanausbruch, auch Frühlingsgefühle genannt“. In seinem Gedicht „Der Lenz ist da“
komme der Verfasser ohne zweideutige Anspielungen auf Spargelwuchs, grüne Wiesen und lauschige Wälder aus. Selbstredend sei Tucholsky eindeutig und wieder einmal auf den Hund gekommen… Als Zugabe hatten die Vier Unverdorbenen eine Bildergeschichte von Wilhelm Busch mitgebracht: „Der zu wachsame Hund“. Die Presse wertete sie als „Wiedergeburt des Bänkelgesangs“, bei der auch die Gäste gestaltend mitwirken durften. Renate Ullmann von der KVU-Vorstandschaft hatte die gezeichneten Wilhelm-Busch-Vorlagen gekonnt koloriert. Den Dank an allen Mitwirkenden formulierte 1. Vorsitzender Peter Wunder in seinen Schlussworten. Er verhehlte hierbei seine Freude nicht über das Zustandekommen dieses Blauen Montags nach zwei Terminverschiebungen. Der aktuellen pandemischen Lage hatte der Veranstalter durch die Anwendung der 2-G-Regel (geimpft/genesen) Rechnung getragen. Die Freude über das Comeback der Vier Unverdorbenen brachte das Publikum nach zweieinhalb unterhaltsamen Stunden in einem tosenden Schlussapplaus unüberhörbar zum Ausdruck.

ZACH-G’STANZLN DÜRFEN NICHT FEHLEN

Fester und unverzichtbarer Bestandteil jeder Programme zum Blauen Montag ist der Einschub von G’stanzln zwischen die Literaturblöcke. Hier nimmt Schnadahüpfl-Dichter Jürgen Zach die Tradition altbairischer Volkssänger auf und stellt in seinen oft beißend kritischen Versen lokale Bezüge her. Von seinem Generalangriff auf alle Lachmuskeln nachfolgend einige Auszüge:

In unserer historisch’n Altstadt brauchst zum Flaniern bald an Helm,
mittendrin konn’s da passiern, dass über dir d’Häuser z’ammfalln!
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Unser grüner See is bald so sauber, dass ma ernsthaft überlegt,
ob man niad des Projekt mit dem Titel „Bad Eixendorf“ honoriert.
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Die Betweiber in da altn Kircha wern se oschauer in da nächstn Zeit,
da Altar is nach’m Umbau drei Stufn haicha, eizt sengs goar nix mehr vo de Leut.
Aber wenn da Pforrer weider obn ist, fallt er an Herrgott no besser aaf.
No kummt er bestimmt schneller im Himmel oder zumindest ins Ordinariat.
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Die hiesige SPD ist im Höhenflug, denn da Scholz macht grod sein Plan,
der Schmid-Erich is scho nervös woarn, weils an Postbot saoucha dan.
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Das neue Rathaus is bald fertig, da Platz im „Medizinischen Versorgungszentrum für ganz Osteuropa“ ist z’eng.
Drum mein ma die neue Abteilung, aas Schlaflabor, fachlich passend ins Neunburger Headquarter verlegn.
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Unser Stadt als kulturelles Zentrum wird gerne beworbn,
wenn’s dann ans Arbeitn geht macht’s ja da Kunstverein Unverdorbn.
Bittschei schreibts des aa in d’Zeitung, dass die Stadträte aa dafoahrn.
Denn egal, wos laous ist, sie liegn aufm Kanapee dahoam!
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BMSporrersaal

BLAUER MONTAG ’21:
MUSIK & LITERATUR

Schön wieder hier zu sein, Hannes-Wader-Cover

Schickeria, Spider-Murphy-Gang-Cover

Sommermorgen , Reinhard-Mey-Cover

Thomas Mann („Herr und Hund“, 1. Episode: Er kommt um die Ecke)

Das Lied von der Hundetreue, Ernst-Arnold-Cover

Kurt Tucholsky („Der kleine Hund an der Ecke“, „Der Straßenkaiser“)

„Hound Dog“ Elvis-Presley-Cover

Kurt Tucholsky („Der Hund als Untergebener“)

Gerhard Polt („Hindemith“)

Bauer, bind‘ den Pudel an Boarischer

Oskar Maria Graf („Der ungewöhnliche Zeuge“)

Neunburger Gstanzln von Jürgen Zach

L.O.V.E.-Foxtrott Frank-Sinatra-Cover

Marie von Ebner-Eschenbach (Krambambuli, Kurzfassung)

„I vasteh di ned“ Wolfgang-Ambros-Cover

Wolfgang Hildesheimer („Aus der Laufbahn meines Pudels Cassius“)

„Mein Hund beißt jede hübsche Frau ins Bein“ Max-Raabe-Cover

Friedrich Torberg („Gogo, der Boxer“ aus „Die Tante Jolesch“)

Veronika, der Lenz ist da Comedian-Harmonists-Cover

Kurt Tucholsky („Der Lenz ist da“)

Wilhelm Busch („Der zu wachsame Hund“)/

David Douglas Duncan („Picassos Lump“)

Gruß an Hubert (Instrumental)
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MEDIEN-ECHO

Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung, Ausgabe SAD, vom 11. 11. 2021 als JPG-Datei: Teilseite _STN2_

Bericht in der Zeitung „Der Neue Tag“, Ausgabe SAD, vom 13. 11. 2021 als JPG-Datei: NTblauer

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