Wagner und VOPHIL begeistern mit Brahms und Dvořák

Ein philharmonisches Fest mit Klangrausch

Nach Tschaikowsky im Kunstherbst 2018 brillierte Pianist Alexander Maria Wagner bei der Klassik-Gala anlässlich des 10. Jubiläums-Kunstherbst mit einer brillanten Brahms-Interpretation. Foto: Ralf Gohlke, MZ

Nach Tschaikowsky im Kunstherbst 2018 brillierte Pianist Alexander Maria Wagner bei der Klassik-Gala anlässlich des 10. Jubiläums-Kunstherbst mit einer brillanten Brahms-Interpretation. Foto: Ralf Gohlke, MZ

Es gibt Momente in Konzertsälen, da ist Spontanbeifall Silber, Schweigen aber Gold. Keine Hand rührte sich zum Beifall, als der finale Bläserakkord „Aus der Neuen Welt“ verklungen war. Erst als Dirigent Mages sich dem Auditorium zuwandte, nach acht, neun oder zehn Sekunden, da hub plötzlich ein Applaus-Tornado an und fegte minutenlang durch die gut besuchte Schwarzachtalhalle! Das Doppeljubiläum „Zehn Jahre Kunstverein Unverdorben“ und „Zehnter Neunburger Kunstherbst“ wurde am 2. Oktober 2022 mit einem philharmonischen Fest zelebriert, das in einem wahren Klangrausch endete.
Festlich gewandete und gut gelaunte Neunburger Klassik-Gala-Gäste aus Berlin, Frankfurt und München in der Schwarzachtalhalle. Foto: K. Stumpfi

Festlich gewandete und gut gelaunte Neunburger Klassik-Gala-Gäste aus Berlin, Frankfurt und München in der Schwarzachtalhalle. Foto: K.Stumpfi


Den KVU-Veranwortlichen Peter Wunder und Karl Stumpfi fiel eine Zentnerlast von den Schultern. Zunächst verhinderte die Corona-Pandemie das für den Kunstherbst 2020 terminierte Gastspiel der Vogtland Philharmonie aus Sachsen/Thüringen, dann kam zwei Jahre später der Neustart, doch der Kartenvorverkauf dümpelte lange nur träge dahin. Sämtliche Bedenken, die bis kurz vor Torschluss über diesem Premium-Event der 10. Kunstherbst-Saison wie ein Damokles-Schwert hingen, waren kurz vor 21.30 Uhr wie weggeblasen. Der Kunstverein Unverdorben hatte als Gastgeber mit den Protagonisten dieses glanzvollen Konzertabends die richtige Wahl getroffen: Die Vogtland Philharmonie mit 52 professionellen Musikern war erstmals vertraglich verpflichtet worden, Pianist Alexander Maria Wagner kam immerhin mit der Referenz eines Sensationsdebüts beim Neunburger Kunstherbst 2018 („Tschaikowsky-Nacht“). Mit Dirigent Reinhold Mages verbindet ihn eine Künstlerfreundschaft, die im selben Jahr ihren Anfang nahm. Der junge Traitschinger Tastenmagier war Solist in Beethovens 3. Klavierkonzert, die Jenaer Philharmonie dirigierte Mages – er schwärmt seither von einem „Musik-Diamanten, den die Region Ostbayern hervorgebracht hat“. Wagners Wunsch, in Neunburg das erste Brahms-Konzert gemeinsam aufzuführen, war dem Orchesterleiter aus dem Fichtelgebirge ein Befehl…
Das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll opus 15 ist das zentrale Werk aus der Sturm- und Drangperiode des in Hamburg geborenen Komponisten.
Zufriedene Gesichter nach dem tosenden Schlussapplaus (v. li.) Vorsitzender Peter Wunder, Pianist Alexander Maria Wagner und Kunstherbst-Koordinator Karl Stumpfi. Foto: Ralf Gohlke, MZ

Zufriedene Gesichter nach dem tosenden Schlussapplaus (v. li.) Vorsitzender Peter Wunder, Pianist Alexander Maria Wagner und Kunstherbst-Koordinator Karl Stumpfi. Foto: Ralf Gohlke, MZ

Den horribel schweren spieltechnischen Herausforderungen dieses 50 Minuten dauernden „Kolosses“ begegnete der 27-Jährige am Boston-Flügel der Schwarzachtalhalle mit der souveränen Virtuosität eines Großmeisters. Die Ausbrüche im dramatischen Kopfsatz, der Schwebezustand während des oft als Gebet apostrophierten Adagio und im Schlussrondo ein Gipfelsturm nach D-Dur „per aspera ad astra“ – Alexander Maria Wagner gelang ein weiterer pianistischer Coup, der die Zuhörerschaft schnell zu „Standing Ovations“ aus den Sitzen hob, dem der Tonkünstler ein sehr introvertiert gestaltetes Intermezzo op. 118 Nr. 2 von Brahms dankbar entgegensetzte.
Nach der Pause entführte das Gala-Konzertprogramm in die Neue Welt. Antonín Dvořáks Symphonie e-moll op. 95 ist so überschrieben. Der tschechische Komponist – er verweilte von 1892 bis 1895 als Direktor National Conservatory of Music in New York – litt dort jedoch unter großer, schmerzlicher Einsamkeit. Die klingt unüberhörbar in seiner populären, sehr oft aufgeführten „Neunten“ immer wieder an, insbesondere in dem elegischen Englischhorn-Solo des Largo-Satzes. Ein unendlicher Raum scheint sich hier aufzutun, die von indianischer Folklore beeinflusste Tonsprache Dvořáks suggeriert endlose Ferne und die verlassenen Weiten der Prärie. Schon die Synkopen des ersten und dritten Themas im Kopfsatz reflektierten böhmische Folklore ebenso wie Negro-Spirituals. Das Hauptthema des dritten Satzes versteht der Musikwissenschaftler Hartmut Becker denn mehr als „schöpferischen Reflex auf das Scherzo der Neunten Symphonie Beethovens als einen stilisierten Indianertanz“.
Gelöste Atmosphäre nach dem "Konzert-Stress" im Szenelokal Alte Seilerei mit Pianist Wagner und Dirigent Mages (v. li.) Foto: K. Stumpfi

Gelöste Atmosphäre nach dem „Konzert-Stress“ im Szenelokal Alte Seilerei mit Pianist Wagner und Dirigent Mages (v. li.) Foto: K. Stumpfi

So wird beim Hören bald das Bewusstsein geschärft, dass es sich bei Dvořáks Stück trotz überwiegend selbstbewussten, prächtigen Tones um eine Musik von ambivalenter Empfindung handelt. Die Vogtland Philharmonie unter der Leitung von Reinhold Mages interpretieren Antonin Dvořáks Opus magnum mit klarer Sprache, sorgfältig gegliedert und phrasiert, alle vier Sätze hindurch mit feinem Gespür für die diffusen Zwischentöne, die dieses Werk ausmachen. Das Allegro con fuoco des Finales klingt wie eine fröhliche Heimkehr, und die schlussendlich auch über das Heimweh-Trauma obsiegende Stretta entfesselt durch alle instrumentalen Register jenen gewaltigen Klangrausch. So, als gäbe es die oftmals beklagte „trockene Akustik“ des Neunburger Saales nicht, geraten die über 200 Zuhörerinnen und Zuhörer in den Sog dieser Emotionen, welche „Bravo“-Rufe im Hals stecken lassen und schon zum Klatschen ausgestreckte Hände lähmen.
Gibt es eine bessere Werbung für das nächste große Konzert-Ereignis des Neunburger Kunstvereins Unverdorben? Für Samstag, 14. Januar 2023 ist das sinfonische Neujahrskonzert avisiert. Dann kommt die Vogtland Philharmonie an die Stätte ihres großen musikalischen Debüt-Triumphs zurück. Der Kartenverkauf hat schon begonnen. Klassik-Fans aus der Region können sich schnell Plätze sichern unter Mail www.schwarzachtalhalle@stadtwerke-neunburg.de oder Telefon 09672 / 9208 514 (Rosa Schafbauer).
KVU-Vorsitzender Peter Wunder und Orchestermanager Ulrich Wenzel begrüßten die eintreffenden Musiker im Foyer der Schwarzachtalhalle. Foto: K. Stumpfi

KVU-Vorsitzender Peter Wunder und Orchestermanager Ulrich Wenzel begrüßten die eintreffenden Musiker im Foyer der Schwarzachtalhalle. Foto: K. Stumpfi

Einen musikalischen Hochgenuss bereiteten Solist Alexander Maria Wagner und die Vogtland Philharmonie den Gästen der Neuburger Klassik-Gala '22. Foto: K. Stumpfi

Einen musikalischen Hochgenuss bereiteten Solist Alexander Maria Wagner und die Vogtland Philharmonie den Gästen der Neuburger Klassik-Gala ’22. Foto: K. Stumpfi

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