Video-Vorschau auf Performance „Krieg und Frieden“

15. Oktober: Theater-Highlight im Kunstherbst!

Ein ukrainischer Schauspieler (Konstantin Skiba) und eine aus Russland stammende Regisseurin (Katja Ladynskaya) gestalten einen packenden Live-Theater-Abend in der evangelischen Versöhnungskirche.

Ein ukrainischer Schauspieler (Konstantin Skiba) und eine aus Russland stammende Regisseurin (Katja Ladynskaya) gestalten einen packenden Live-Theater-Abend in der evangelischen Versöhnungskirche. Foto: Evangelische Kirche Bayern

Am Sonntag, 15. Oktober, 19 Uhr, findet in der Evangelischen Versöhnungskirche Neunburg, Bahnhofstraße, die Performance „Krieg und Frieden“ statt. Vor dem aktuellen Hintergrund des seit 20 Monaten tobenden russischen Angriffskrieges in der Ukraine erwartet das Publikum ein absoluter Neunburger Kunstherbst-Höhepunkt auf dem Theatersektor. Während der seit 9. Oktober in der Versöhnungskirche laufenden Foto-Doku-Ausstellung „Barriere; Zonen“ mit Fotografien des Journalisten und Autors Till Mayer bietet die evangelische Kirchengemeinde eine szenische Live-Performance, welche von Theater-Regisseurin Katja Ladynskaya konzipiert worden ist. Thematischer Ausgangspunkt ist die Fragestellung: Wie kommt es, dass wir trotz wissenschaftlichen und technischen Fortschritts das friedliche Miteinander der Menschen immer noch nicht gelernt haben?
Katja Ladynskaya ist eine freischaffende Theaterregisseurin, Autorin, Performerin und Digital Artist. 1994 in St. Petersburg geboren, kam sie mit 16 Jahren allein nach
Deutschland, um hier zu studieren. Sie hat bereits 23 Inszenierungen in zwölf deutschsprachigen Städten auf die Beine gestellt, acht Theaterstücke veröffentlicht
und eine 3D-Kunstausstellung entworfen. Sie ist politisch aktiv und das Thema „Widerstand“ ist zum Motor ihrer Kunst geworden. Seit der Krieg in der Ukraine großflächig ausgebrochen ist, ist die gebürtige Russin in den Widerstand gegangen und hat eine russisch-ukrainische Friedensbewegung gegründet, in der oppositionelle RussInnen Seite an Seite mit den UkrainerInnen kämpfen. Katja Ladynskaya arbeitet mit technischen Medien, die eine lebendige Interaktivität auf der Bühne zulassen, wie mit Overhead- und Diaprojektoren. Die Akteure werden zu Performern, setzen sich selbst ins Szene, erschaffen live lebendige Bilder und lassen das Publikum daran teilnehmen. So wie auch bei der Performance „Krieg und Frieden“, in der Ladynskaya mit dem aus dem ukrainischen Donbas stammenden Schauspieler Konstantin Skiba zusammenarbeitet. Die Aufführung in der Neunburger Versöhnungskirche beginnt am Sonntag, 15. Oktober um 19 Uhr. Was die Zuschauerinnen und Zuschauer an diesem packenden Theaterabend erwartet, wird in einer Video-Vorschau zusammengefasst, der unter nachfolgendem Link aufgerufen werden kann:

https://evangelisch.video/w/gLdsZn9DshQyv5a7cf7hpz

Weiters veröffentlicht der Neunburger Kunstverein ein Interview mit Regisseurin Katja Ladynskaya und bedankt sich bei Pax Christi für die freundliche Genehmigung der Veröffentlichung.
*************************************************************
„Nie aufgeben, nach alternativen Lösungen zu suchen“
Russische Künstlerin und Antikriegsaktivistin Katja
Ladynskaja
*************************************************************
Frau Ladynskaya: „Krieg und Frieden“ – unter diesem Titel haben Sie im
Sommer in der Neupfarrkirche Regensburg auf sehr beeindruckende
Weiseauf den Krieg in der Ukraine und auf das damit verbundene Leid
aufmerksam gemacht. Wie kamen Sie zu diesem Kunstprojekt?

Katja Ladynskaja: Ich bin von Herrn Dr. Carsten Lenk, dem Geschäftsführer der
Evangelischen Bildung Ostbayern und Erwachsenenbildungswerk Regensburg darauf angesprochen
worden, zum Jahresthema „Krieg und Frieden“ eine Performance zu entwickeln. Wir
kennen uns bereits aus dem vorherigen Projekt. Da habe ich mit Unterstützung durch
die EBW, VVN und Bund der Antifaschist*innen, Stadt Regensburg und eben auch
durch Pax Christi und diverse andere Unterstützer eine performative Lesung
inszeniert: „Ich lege mich hin und sterbe!“ mit den Texten von Thomas Muggenthaler
über die Schicksale der sowjetischen Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg 2021
2022 wurde diese Lesung wiederaufgenommen, denn die Kriege sind alle furchtbar,
und sollen dennoch nicht verglichen werden, damit würde man die Verantwortlichen
ihrer Schuld entziehen. Es ist also immer wichtig die Erinnerungsarbeit
aufrechtzuerhalten, selbst wenn gerade ein anderer Krieg tobt. Ich habe aber auch
gleichzeitig nach einem Projekt gesucht, wo ich den aktuellen Angriffskrieg auf die
Ukraine kommentieren und wieder in Erinnerung rufen kann…
Sie haben sich als gebürtige Russin und als Künstlerin deutlich gegen
diesen Angriffskrieg positioniert, beteiligen sich politisch in der
russischen Antikriegsbewegung. Was sind Ihre Beweggründe?

Regisseurin und Autorin Katja Ladynskaya. Foto. Christina Iberl

Regisseurin und Autorin Katja Ladynskaya. Foto. Christina Iberl


KL: Ich wurde von dem Ausbruch des Angriffskrieges auf die Ukraine regelrecht
schockiert. Es kamen so viele Gefühle hoch. Wut. Verzweiflung. Angst. Ohnmacht.
Schuldgefühle. Ich habe mich gefragt, wie konnte ich es übersehen, dass der Krieg
kommt. Es ging auch vielen in der Antikriegsbewegung so. Daraufhin habe ich
angefangen mich mit der Geschichte Russlands und der Sowjetunion zu befassen,
um die Zusammenhänge besser zu verstehen. Wir müssen ja auch wissen, woher
der Krieg kam, um Strategien zu entwickeln, wie er beendet werden könnte. In der
Performance spulen wir auch mal die Zeit zurück und zeigen erschreckende
Zusammenhänge, die lange übersehen wurden. Wir stellen uns auch die Frage
„Warum Krieg?“. Im ganz weiten Sinne. Da dürfen wir uns auch hier in Deutschland
hinterfragen, wie wir allgemein auf die Kriege blicken. Warum gibt es Kinderpistolen
im Laden um die Ecke? Warum verschwinden Kriege so schnell aus den
Schlagzeilen? Es sind viele Warums. Und mein Ziel ist es nicht, eine endgültige
Antwort zu finden, das wäre zu einfach und anmaßend. Stattdessen stelle ich ein
weiteres „Warum?“, und wir graben noch tiefer und kommen dadurch den
konstruktiven Lösungen eventuell näher.
Viele Künstlerinnen und Künstler aus Russland sind da zurückhaltender.
Etwa die Starsopranistin Anna Netrebko oder der Dirigent Teodor
Currentzis. Haben Sie keine Angst?

KL: Ich bin da ziemlich radikal, was das angeht. Solange man sich auf dem
europäischen Boden in einem Rechtsstaat befindet, sollte man, gerade als
Künstlerin klar Position beziehen. Man kann nicht von der Sicherheit und
Rechtsstaatlichkeit profitieren und sich gleichzeitig nicht vom dem Staat abwenden,
der eben diese Rechtsstaatlichkeit bedroht. Ich fühle mich in Deutschland sicher.
Natürlich kann man nie wissen, wie weit die KGB-Fühler gehen können, dennoch
muss man nach den eigenen Werten leben und nicht auf die möglichen Risiken
blickend. Ich habe mich entschieden. Damit sind zwar Einschränkungen verbunden,
wie z. B. dass ich nicht mehr nach Russland fahren kann, bis das Regime fällt. Aber
das nehme ich in Kauf, alles andere würde mit meinem Moralkompass kollidieren.
Ich bin ein Sprachrohr für all die, die in Russland zum Schweigen gebracht werden.
Wenn wir hier im Ausland auch verstummen, wird’s still um die Demokratie.
Der Krieg dauert nun schon über eineinhalb Jahre, die
Kampfhandlungen scheinen immer heftiger und brutaler zu werden. Die
Rufe nach Frieden scheinen da keine Chance zu haben. Wie sehen Sie
das?

KL: Das Problem ist, dass wir in entweder-oder-Kategorien denken. Entweder
Waffenlieferungen oder nicht. Entweder Sanktionen oder nicht. Entweder mit Putin
verhandeln oder nicht. Dass das nirgendwohin führt, sehen wir ja. Wir müssen diese
Denkweisen auflösen und alternative Wege suchen, statt immer mehr Argumente zu
sammeln, warum das „entweder“ oder das „oder“ mehr Berechtigung hat, eine
sinnvolle Strategie zu sein. Nehmen wir zum Beispiel das Verhandeln. Ich zweifele
sehr stark daran, dass die Verhandlungen mit Putin und seiner Regierung sinnvoll
sind. Sollen wir wirklich mit Kriegsverbrechern verhandeln? Das ist sowohl den
UkrainerInnen als auch der russischen Oppositionellen, die gerade in Gefängnissen
gefoltert werden, gegenüber gelinde gesagt unfair. Nicht zu verhandeln ist aber
vergleichbar mit dem Laufenlassen, in der Phase, in der sich der Krieg derzeit
befindet und hilft auch weder UkrainerInnen noch oppositionellen RussInnen weiter.
Wie wäre es mit einem dritten Weg? Am belarussischen Beispiel sehen wir, dass z.B.
eine Exilregierung gebildet werden kann. Man könnte den russischen
Oppositionellen, die willig sind auszureisen, eine Möglichkeit bitten, ebenfalls eine
solche Regierung zu gründen und mit dieser verhandeln. Beziehungsweise es gibt
bereits mehrere Organisationen und Vereine in vielen deutschen Städten, wo sich
oppositionelle Russen organisieren. „Free Russians“ aus München, zum Beispiel.
Das könnten die ersten Verbündete sein. Das wäre für die friedliche Zukunft
bestimmt eine sinnvolle Unternehmung. Wir müssen vorsorgen für die Zeit, wo Putins
Regime fällt.KriegundFrieden
Welche Möglichkeiten haben Friedensbewegungen wie zum Beispiel Pax
Christi, ein Ende der Kampfhandlungen zu fordern ohne in den Verdacht
zu geraten, der Ukraine in den Rücken zu fallen.

KL: Ich glaube, gerade in den Friedensbewegungen liegt die Chance über den
Tellerrand zu blicken und nach alternativen Lösungen zu suchen. Nach
Zwischenwegen. Da müsste man kreativ werden und sich aus dem entweder-oder-
System lösen. Ich finde beispielsweise die Bestrebungen von Pax Christi zur
Unterstützung der russischen DeserteurInnen sehr gut. Das ist eine eindeutig
wirkende Maßnahme, um die Menschen aus dem Krieg zu ziehen und dadurch das
Leiden in der Ukraine zu vermindern. Allgemein ist es wichtig, mit den tatsächlichen
Betroffenen zu reden und ihnen zuzuhören, das kommt auf der politischen Ebene
leider zu kurz. Man muss den betroffenen Ukrainern Gehör schenken und mit
Ihnen gemeinsam kreative Strategien erfinden. Es trifft genauso auf die russische
Oppositionelle zu, die enormer Gefahr ausgesetzt werden, wenn sie nicht ausreisen.
Die Kontakte zu freien Gruppen abseits der politischen Systeme könnten dabei eine
wichtige Rolle spielen.
Aus Ihren bisherigen Erfahrungen in der Antikriegsbewegung: Sehen Sie
irgendwie Chancen, dass Russland diesen Angriffskrieg beendet oder
wird es ein jahrelanger Zermürbungskrieg mit der Gefahr weiterer
Eskalation bis hin zu einem Weltkrieg?

KL: Aktuell sieht die Situation ziemlich düster aus. Denn Russland muss sich
strukturell verändern, damit Kriege verhindert werden können. Es reicht nicht, wenn
Putin verschwindet, denn hinter ihm stehen oligarchische und militärische
Machtstrukturen. Alles, was wir derzeit tun können, ist an kreative Lösungen abseits
der geläufigen Kategorien zu denken und die Menschenrechtsorganisationen in
Russland zu unterstützen, die Schadensbegrenzung betreiben. „OVD-Info“ (eine
russische Nichtregierungsaktion, die 2021 nach den dortigen Parlamentswahlen
gegründet wurde, d. Red.) unterstützt zum Beispiel politisch Verfolgte und politische
Gefangene in Russland mit kostenloser Hotline und kostenlosen Anwälten. Ich
spende regelmäßig an diese Organisation, ich sammele Spenden bei den
Theateraufführungen und Demonstrationen. Bei „Krieg und Frieden“ kamen knapp
400 Euro zusammen, diese haben wir zwischen der ukrainischen Organisation für
humanitäre Hilfe „Volonterska“ und eben der OVD-Info aufgeteilt.
Letzte persönliche Frage: Was hilft Ihnen bei Ihrer Arbeit als Künstlerin
und als Friedensaktivistin, nicht aufzugeben. Was gibt Ihnen Kraft?

KL: Kurz vor meiner Abreise nach Deutschland hat meine Mutter mir gesagt, dass ich
in Russland mit meinem Gerechtigkeitsgefühl nicht überleben würde. Jetzt sehe ich
umso mehr, dass sie recht hatte. Mir ist bewusst, dass die Welt nicht immer gerecht
ist, leider. Dennoch macht mich das wütend, wenn ich Ungerechtigkeit sehe, egal wo.
Diese Wut kanalisiere ich dann ins Tun. Auch wenn’s „nur“ ein Tropfen im Meer ist,
das Meer besteht letztendlich auch nur aus vielen Tropfen. Außerdem habe ich eine
kleine Tochter, und ich möchte, dass die Welt für sie ein schöner und friedlicher Ort
ist. Für sie und für alle anderen Kinder auf dieser Welt, die sich eine friedliche
Zukunft wünschen. Allein dafür lohnt es sich zu kämpfen.KHPoster23JPG

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.